A bis F - Hochzeitsgedichte
Friedrich Bodenstedt
Es war im Dorfe Hochzeit,
Die Gäste schmausten und sprangen,
Da kam zu dem frohen Feste
Auch ein alter Sänger gegangen.
Hei! was man dem jungen Paare
Für reiche Geschenke beschied!
Der Sänger brachte zum Feste
Nichts als ein kleines Lied.
Das Hochzeitspaar und die Gäste
Sind längst im Grabe verdorrt -
Verwittert sind alle Geschenke,
Das Lied lebt immer noch fort!
Friedrich Bodenstedt
Zu neuem Leben ist die Welt erwacht,
Ihr Herz geht auf, ihr Sonnenauge glüht,
Balsamisch ist ihr Odem, und sie blüht
Wie eine Braut in jungfräulicher Pracht.
Euch öffnet sie der Wunder reichsten Schacht -
Nur für die Liebe ist der Lenz erblüht,
Mit süßer Ahnung füllt er das Gemüth
Von Liebeswonne und von Liebesmacht.
Erschließt ihm liebend Eure Herzen ganz!
Laßt seinen Hauch durch Euren Busen wehen,
Nachts wird in schönen Träumen auferstehen
Was Euch berauscht von Lenzesduft und Glanz -
Und was die schönen Träume Euch enthüllen,
Gott mög' es Euch im Leben ganz erfüllen!
Friedrich Bodenstedt
Gottfried August Bürger
Am Tage ihrer Vermählung.
O Bräutigam! welch' eine Braut
Wird deinem Arm' zur Beute!
Bey meiner Leyer schwör' ich's laut:
Die Krone schöner Bräute!
Wer zweifelt, wandre hin und her,
Rings um die alten Gleichen!
Kein schön'res Fräulein findet er,
In allen Königreichen. -
Ihr Blick verheißt ein Paradies;
Die Wang' ist Morgenröthe;
Und ihre Stimme tönt so süß,
Wie König Friedrichs Flöte.
Noch mehr! Des Dichters Phantasey
Verräth es seiner Leyer,
Daß ihre Lippe süßer sey,
Als Honig und Tokaier.
Ihr schlanker Wuchs - Doch wie vermag
Ich jeden Reiz zu singen?
Kaum reicht' ein langer Sommertag,
Ihr Loblied zu vollbringen.
Sie weichet nicht in Griechenland
Der schönen Nahmensschwester;
Doch hält ihr Herz das goldne Band
Der Liebestreu' weit fester. -
Sie hätten in der Wunderzeit
Der Riesen und der Moren,
Die Paladine weit und breit
Zur Dame sich erkohren.
Ihr Nahme hätt' im Feldpanier
Den Rittern Muth geschimmert,
Und Schild' und Lanzen im Turnier
Zu tausenden zertrümmert.
Wär' sie gebohren auf der Flur,
In jenen goldnen Jahren,
Als ritterliche Lanzen nur
Noch Hirtenstäbe waren:
So hätt' um sie, in Flur und Hain,
Ein jedes Lied geworben.
Wohl mancher wär' in Liebespein,
Nach Schäferart gestorben. -
Sieh, solche Braut zieht deine Hand
Hinweg aus unsern Blicken.
Wie neiden wir das fremde Land,
Das Helena soll schmücken!
Ach! welche Nachbarin ersetzt
Sie unfern Nachbarsöhnen?
Und welche wird die Reigen jetzt,
Wie Helena, verschönen?
Du müßtest wohl mit blankem Speer
O Mann, sie erst erwerben,
Und billig schäferlich vorher
Ein paarmal für sie sterben! -
Doch wirft du künftig, ohne Leid,
Sie auf den Händen tragen,
Und immer, nach Verdienst, wie heut,
Ihr Honigwörtchen sagen:
So sey es d'rum! Wir lassen sie
In Frieden unsertwegen.
Die Liebe segne dich und sie,
Mit ihrem besten Segen!
Gottfried August Bürger
Adelbert von Chamisso
1.
Es steh'n in unserm Garten
Der blühenden Rosen genung, -
Dir blüht, noch schöner als Rosen,
Ein Mägdlein so frisch und so jung.
Ich habe mit Fleiß gewählet
Die schönsten Rosen zum Strauß, -
Du küssest die rosigen Lippen
Und lachst am Ende mich aus.
2.
Rosen in dem Maien,
Und der Liebe Fest!
Schwalben und die Lieben
Bauen sich ihr Nest.
Maienrosen, Lieder,
Schwalben, Liebe gar!
Und ich werde wieder
Jung im grauen Haar.
3.
Wer doch durch des Festes Hallen
Wallet mit dem Kranz im Haar?
Ach, die Beste ist's von Allen,
Sie, die uns die Liebste war.
Und wer tritt mit freud'ger Eile
Schön und stolz an ihrer Hand?
Hier schoß Amor gold'ne pfeile,
Und sein Bruder knüpft das Band.
Und ich seh' die Götter niedersteigen
mit der Scherze Chor,
Und ich singe Glückeslieder,
Und ich blicke froh empor.
Liebeleben, Glückesbande,
Langes Leben, ew'ges Fest!
Tauben durch des Friedens Lande,
Viele Jungen in das Nest!
Immer froh und ohne Sorgen,
Alles, alles muß gedeih'n,
Und ihr sollt mit jedem Morgen
Glücklicher und jünger sein.
Adelbert von Chamisso
Gustav Falke
Die schönste Eiche, weitbekannt, stand vor Jenas Tor,
Der tat es keine zweite gleich an vollem Wuchs und grünem Flor.
Und oben in den Zweigen, wars auch kein Nachtigallensang,
Bewohnten diese Äste
Doch viele Sommergäste,
Darunter ein paar Krähn von Rang.
Das war kein Baum wie andere, eben nur von Holz,
Er diente einem alten Brauch und stand wohl darum auch so stolz.
Wenn wo ein Mädchen meinte, es wär doch auch ein süßer Schatz,
Sich von der Mutter sehnte,
Und sich ihr Busen dehnte
Voll junger Wünsche unterm Latz:
Dann suchte wohl ihr töricht Herz dieses grüne Ziel,
Und halb im Ernst begann und halb im Scherz ein wunderliches Spiel.
Mit einer Nadel heftete ein Zettelchen sie an den Stamm,
Wenn das ein Bursch entdeckte,
Las er, was sie bezweckte:
Die Woll ist reif, wer schert das Lamm?
Wars einer nun, der gleichfalls gern von der Mutter wollt,
So dacht er wohl, riskier den Hals, und tat danach was er gesollt:
Schrieb Sprüchlein unter Sprüchlein, bestimmte auch gleich Tag und Zeit.
Wunsch wurd an Wünschen munter,
Man traf sich, und mitunter
Gabs eine Hochzeitsfestlichkeit.
Doch war der alte Eichenknorrn morsch und mürb zuletzt,
Stand an drei hundert Jahre schon, da wurde denn die Axt gewetzt.
Hing an der rissigen Borke ein Zettelchen noch lose an,
Wer weiß von welchem Kinde,
Das schwamm nun mit dem Winde
Und rief nach einem Freiersmann.
Was aber wohl die scheue Schar blöder Dirnen macht,
Wenn jetzt in ihrer Märzenbrust ein heimlich Wünschen auferwacht?
Es sehen wohl die Guten sich ratlos um im weiten Raum.
Ich kenn der Schelmlein sieben,
Die Zettelchen geschrieben,
Doch ach, sie wissen keinen Baum.
Gustav Falke
Arthur Fitger
I.
Der Kirchgang.
Sonntag war es; im laulichen Wind bewegte das Korn sich
Leise, das sonnigste Licht lag auf der blühenden Flur.
Festlich Alles und still; nur zuweilen wallte der Orgel
Ton und entfernter Gesang über das einsame Feld.
Siehe, da strich jung Reineke sacht an den Hecken und Gräben;
Schäme dich, schlimmer Gesell! hast du die Predigt geschwänzt?
Leider er schwänzte sie stets. Das spitzige Näschen im Winde,
Blitzend die Aeuglein, den Schweif scheu in die Stauden geschmiegt,
Bald vorsichtig geduckt und bald mit behendem Entschlusse
Ueber den rinnenden Bach setzend, die zwitschernde Brut
Junger Amseln im dornigen Busch beschnuppernd, so strich er
Auf Umwegen geschickt manöverirend zu Wald.
Seltsam! Just in den nämlichen Wald von der anderen Seite
Trabte schön' Ermelin auch, Rotherichs einziges Kind,
Ermelin, sie, die Blume der Füchsinnen. - Götter, was ahnt mir?
Wieder ein Liebespoem bin ich zu schreiben verdammt.
Glockengeläut zog über das Feld; auf Wegen und Stegen
Ward es lebendig; das Volk drängte zur Kirche hinaus,
Grosses und Kleines: siehe, da kam das protzige Kutschpferd,
Rind und Rindesrind wandelte biederen Gangs,
Hund und Katze gingen selband in heimlicher Feindschaft,
Und sonntäglich gekämmt kam mit den Ferkeln die Sau.
Höchlich hatte sie eben erbaut der Prediger Schafbock,
Kürzlich erst war er gewählt, äusserst modern und beliebt,
Der nun hatte gepredigt das Evangelium: "Schlägt dir
Einer die rechte Wang', biet' auch die linke noch dar;
Nimmt dir Einer den Rock, dem schenke du noch den Mantel.
Liebe den Feind, und verflucht er dich, so segn' ihn dafür."
All' die berühmten Sentenzen, die man als specifisch christlich,
Jegliche Heidenmoral weit überflügelnd, uns preist,
Pries (natürlich vergebens wie immer) Bellin der Gemeinde,
Schier zwei Stunden Kubik hatt' er den Hals strapazirt.
Und es sagte die Krähe zur Elster: "Er predigt ergreifend,
Wenn er so rief "Herr, Herr," lief mir's den Rücken hinab;
Wahrlich ein schönes Organ, und wie er die Blicke hinauf schlug,
Spielt mit den Aepfeln des Augs förmlich er Fangeball hoch!"
Fulpup aber, der Wiedehopf, trat zu ihnen und sagte:
"Leider Gottes, dass ich heute die Kirche versäumt.
Wovon predigt' Er denn?" - "Je nun, versetzte die Elster:
Was man so predigen heisst - Herr du mein Jesus und so." -
"Nein, ich meine, - worüber?" - "Worüber? nun über die Bibel." -
"Kinder, die Bibel ist dick. - Aber wen bot er denn auf?"
"O," rief Elster und Krähe zugleich mit geflügelten Worten:
"Eduard und Kunigund, Kunigund und Eduard."
Hinter den beiden, geputzt und gestutzt ging Lampe der Hase,
Zeigte sein Erühlingshabit lächelnd der feineren Welt,
Aeugelte keck mit den Mädchen und liess die Revue sie passiren ;
Nirgends macht sich's so leicht, als an dem Kirchenportal,
Wenn in der Kirche nicht selbst. Taufbecken und Gräber und Beichtstuhl
Bieten zum Kosen so traut dunkelnde Winkel, da steh'n
Rings der Engel so viele von Stein und Bronce, da schlüpft auch
Leicht der geflügelte Gott kichernd und heimlich mit durch.
Lampe war Don Juan; von der Schnauze zum Purzel war jeder
Zoll Cavalier: Gott Lob, dass man zur Kirche noch geht!
Denn leichtfertige Mädchen verführt man bequem auf dem Tanzplatz,
Aber die frömmeren wo? wäre die Kirche nicht da?
Auch der ehrliche Dachs, Herr Grimbart, nahte sich ernsthaft,
Alter Gewohnheit gemäss, die ihn durch's Leben geführt.
Wenn er im Stuhl' einmal abwesend geglänzt wie ein Brutus,
Hätte nervös der Pastor wahrlich vergessen den Text.
Also hätt auch die Wirthin zum borstigen Igel auf Theurung,
Krieg geschlossen und Pest, hätt' er ein einziges Mal
Seinen Schoppen bei ihr versäumt zu trinken; der Scatclub
Hätt' auf das Ende der Welt und des Vereins prophezeiht.
Aber das ewig Gestrige war ihm heilig; die Dachse
Sind aus Gemeinem gemacht und von Gewohnheit gesäugt.
Zu ihm gesellte sich schlurfenden Schritts, ducknackig und kreuzlahm
Isegrim, welcher den Klang ladender Glocken so oft
Sonst überhört' und gern statt des metaphorischen Schafstalls
Sich den realen gesucht, furchtbar, ein würgender Gast.
Heute hätt' er sich reuigen Muths des bess'ren besonnen:
Denn den verfressenen Bauch plagte gewalt'ge Kolik,
Dass er vor Schmerzen sich krümmt' und schon in entsetzlichen Träumen
Fühlte die Leichenfrau'n, die in den Sarg ihn gelegt;
Lastend beklommene Enge - von Heerden zerrissener Lämmer
Häuften Dämonen das Vliess, stopften es ihm in den Schlund,
Dass ihm die Seel' erstickt' im keuchenden Busen, und leise
Brodelt's wie siedendes Pech unter den Füssen ihm auf,
Brodelt' und briet und zischt' und schlug in entfesselter Lohe
Fürchterlich wüthend empor; heulend erwacht' er vom Schlaf. -
Horch, da scholl durch den Wald das festliche Morgengeläute,
Gnade verkündend und Huld seihst noch dem Schacher am Kreuz.
Isegrim, ach, noch wanden im Bauch sich unendliche Schmerzen,
Schlangenhaft - Isegrim hub ächzend vom Lager sich auf
Und beschloss mit dem Herrn auf alle Fälle den Frieden
Abzumachen - Will's Gott war es zunächst noch verfrüht.
Doch aus dem Rümpelgeschirr hersucht' er sein altes Gesangbuch,
Welches als Bett und als Frass häufig den Mäusen gedient.
Staunen erfüllte die singende Schaar, als der schielende Sünder
Eintrat in das Portal; aber mit himmelndem Blick
Grüsste Bellin den verlorenen Sohn - ihn predigen hören,
Dunkelt' ihn, hätte den Wolf heim in die Kirche geführt.
Aber zuletzt, wer tritt die Stufen herunter? O nenne,
Muse, den würdigen Mann: Rotherich ist es, der Fuchs,
Rothrich der denkende Kopf, der gebildete, witzige Rothrich;
Seht ihr's, ihr Ketzer: Verstand schützet vor Frömmigkeit nicht.
Prangend in schwarzem Sammet und Goldschnitt lag das Gesangbuch
Ihm in der Pfote, das Schwarz stimmte zum röthlichen Fell
Höchst coloristisch; der buschige Schweif, der sonst so lebendig
Wedelt, wenn volles Gefühl männlicher Kraft ihn beseelt,
Schleifte von Demuth christlich geneigt andächtig im Staube,
Und in bescheidenem Stolz blinzte zu Boden das Aug'.
Nur um das spitzige Maul flog hin und wieder ein Lächeln
Heimlich, das glänzende Reih'n schneidiger Zähne verrieth.
Schnell um den würdigen Greis versammelten Grimbart und Lampe
Und Herr Isegrim sich, welchem derweil der Kolik
Wesentlich besser geworden, sie grüssten ihn alle mit Ehrfurcht;
Selten grüsst so das Thier ohne besonderen Zweck.
Und Freund Lampe begann: "Allein, Verehrtester, kamt Ihr?
Fräulein Ermelin ist, ich will es hoffen, doch wohl?"
"Fräulein Ermelin", sagte der Dachs, und schoss einen gift'gen
Blick auf den Hasen, "sie ist, ich will es hoffen, doch wohl?"
Doch Herr Isegrim schoss zwei giftige Blicke, dem Hasen
Einen und einen dem Dachs, räusperte sich und begann:
"Rotherich, trefflicher Freund, allein, Verehrtester kamt Ihr?
Fräulein Ermelin ist, ich will es hoffen, doch wohl?
Grüsset sie schönstens von mir." Und Grimbart: "Grüsset sie bestens."
"Bringt ihr die Rose," beschloss Lampe, "ich brach sie für sie."
"Kirchenluft macht ihr Migräne," sprach Rotherich, "ach und der pulex
Ecclesiasticus brüllt hungrig des Sonntags nach Raub.
Einsam liest sie zu Haus in den Stunden der Andacht und singt den
Alten Choral: "Einsam bin ich und doch nicht allein."
II.
Liebesglück.
"Jeden andern Meister erkennt man an dem, was er ausspricht ;
Doch was er weise verschweigt, zeigt mir den Meister des Styls."
Schweigt mir, ihr Distichen denn, übergeht bis auf Weit'res jung Reinart
Und schön Ermelin noch; stört nicht die Liebenden auf.
Soll ich euch nicht fortschicken, mir Hyazinthen zu holen,
Schilderst derweilen den Ort, welcher die Glücklichen birgt.
Tief in dem dichtesten Forst, wo die laubigsten Buchen sich wipfeln,
Wo ein unendlich Gestrüpp blühender Rosen sich rankt,
Wo in dem Weissdorn brütet die Nachtigal, wo an der Quelle
Ackersmännchen den Tanz güldener Fliegen verfolgt,
Während im hohen Geäst von Liebe der bläuliche Tauber
Girrt, der pfeifenden Flugs heim zu der Liebsten gekehrt,
Dorten ruhen im moosigen Grund des Jägers Gebeine
Lange; kein Waldthier weiss, wann er hinunter gesenkt.
Aber noch rauscht es im Laub, noch murmelt's im Quell und es flötet
Süss in der Nachtigal Sang heute die Sage noch fort
Von dem schweigenden Mann, der einst mit Bogen und Jagdspies
Fern aus dem Treiben der Welt her in die Stille gefloh'n.
Hatte da draussen wohl viel herznagender Schmerzen gelitten ;
Denn nur spitzig Gedörn erntet vom Menschen der Mensch,
Dornen, die ach, nicht immer einmal zur Krone sich flechten,
Dornen, die ruhmlos nur heimlich zerfleischen die Brust.
Einsam hatte der Mann gehaust in dem Schatten des Waldes,
Hatte den Frühling belauscht, wenn er die Wipfel durchzog
Allbelebenden Gangs und hatte gebeugt sich dem Sturmwind,
Wenn er in herbstlicher Nacht trotzige Riesen zerbrach,
Hatte geschauert, wenn blendender Reif zu krystallnen Palästen
Ueber dem schweigenden Schnee zaubernd die Buchen geschmückt.
Dann in der mächtigen Brust entfesselt' ein Strom des Gesanges
Wogend sich und durchscholl Wälder und Fels und Greklüft.
Aber mit schneidigem Laut der Klage verstummt' er, wie oftmals!
Und wie ein lastender Fels lagerte Schweigen auf ihm;
Unausdenkbares denken und Unerfassbares fassen
Sollte das grübelnde Hirn. - Siehe, da fanden ihn einst,
Schlummernd schien er, die Thiere der Wildniss; aber er schlief den
Schlummer, den nie ein Gesang fröhlich am Morgen verscheucht.
"Lasst uns," "sprachen die Thiere, "bestatten den einsamen Fremdling;
Hat er wie seine, doch auch unsere Schmerzen gefühlt
Und mitleidend geschrien zu dem Ewigen über den Sternen,
Wenn wir blöderen Sinns stumm vor der Noth uns gebeugt.
Hat er als Brüder uns alle geehrt, wir ehren als König
Ihn. In der endlosen Qual, die durch das Leben sich schlingt,
War er der Einz'ge zu denken, zu forschen, zu späh'n nach dem Urgrund.
Und nun ging er zu Gott, endlich, der fragende heim;
Und er klagt ihm das Leid der Erdcreaturen. - Gelinder
Fühl' er sich unter dem Staub, als er sich auf ihm gefühlt."
Trauernd huben ihn auf die gewaltigen Hirsche des Eichwalds,
Das schwarzäugige Reh folgt' und die Gemse des Bergs.
Eifrig wühlten sein Grab goldborstige Keiler, der Wisent
Und der Bär und der Ur senkten zur Gruft ihn hinab.
Aber ein Adler schwang von den stürzenden Schollen sich aufwärts,
Sehnsuchtsvoll nach dem Licht trug ihn der stürmische Flug;
Hat er's erflogen? Wer kündet's, wer sagt's? - "Wie ermüdete Schwingen
Bauscht es bei nächtlicher Frist oft um die schweigende Gruft.
Aber geweiht war der Platz, als fühlten die Thiere noch heute
Dankbar, dass in den Kreis irdischen Leidens und Glücks
Inbegriffen auch sie, von dem Herzen, das unten vermodert,
Von dem zerstäubenden Hirn, sie, die verachteten, auch
Mitgerechnet in jener unendlichen Rechnung, ob so viel
Glück in der Welt, dass ein Gott Recht sie zu schaffen gehabt.
Reineke flüstert' im sonnigen Gras: "Ein Asyl war das Grabmal
Stets für die Liebe; der Tod drängt zu des Lebens Genuss.
Darum wandelte Pyramus einst mit Thisbe zum Grabe
Nickels, in München auch kam etwas Aehnliches vor;
Darum an Abälard's Gruft schwärmt heut' die Pariser Grisette,
Darum von Julia's Sarg bricht sich ein Stückchen die Miss;
Darum hat auch der Müllergesell' auf dem Grab an der Linde
Mit seiner Buhle geweint, ohne zu wissen warum.
Liebste, der unten hier schläft, er hat sich den Schädel zergrübelt
Freudlos; freuen wir uns, dass noch der unsrige heil."
Zärtlicher ward ihm die Stimme und leiser und leiser; doch säuselnd
Wogt's in den Stauden der Gruft, flüstert's in Zweigen und Laub.
Flötet die Nachtigal? Girrt im Geäst der bläuliche Tauber?
Nein, in der wehenden Luft athmet's wie Geistergesang:
Horch, der begrabene Jäger erhebt sich vom Schlummer: "O Liebe,
Seliger Garten in dürr starrender Wüste, Gestirn,
Wonniges, lichtes Gestirn in trostlos triefender Sturmnacht,
Liebe wie bist du so schön, ach so verderblich und schön!
Quelle des Lebens, des Leidens - wenn du versiegtest, versiegten
Unsere Schmerzen und still ebbte die Welt in das Nichts,
Leidlos; dein ist die Schuld der ewig erneuten Geburten,
Ewig erneuter Begier, ewig erneuerter Qual!
Dennoch fluch' ich dir nicht, du lockende Zauberin; frei spricht
Dirnen der Areopag wegen der himmlischen Form.
Heil dir, du schalkisches Paar, und kostet die glückliche Stunde
Hühnern und Gänsen dereinst massenhaft Leben und Leib,
Wenn den Kindern der Zahn und den Kindern der Kinder gewachsen;
Sei es: das Leben ist nicht höchstes der Güter - vielleicht
Ist es die Liebe, vielleicht! - da höb' in der ewigen Rechnung
Eure Lust und der Schmerz blutender Opfer sich auf!"
Leiser bewegten die Winde das lispelnde Laub; auf die Zweige
Senkte sich Ruhe; da sprach Reineke: "Hast Du gehört?
Segen verkündet dem zärtlichen Bund die Stimme des Waldes,
Auf denn! werbend um Dich grüss' ich den Vater alsbald."
Ermelin aber: "Ich fürchte den Vater: Du bist mit den Deinen
Heide schon; aber noch Christen sind wir und getauft."
III.
Die Werbung.
Reineke kam freiwerbend aufs Schloss zu dem würdigen Rothrich.
Heia, wie staunte der Ohm über des Neffen Habit!
Eitel Sammet und Seidenbrokat, gestickt und bebändert!
Und ein demantener Ring zierte den vorderen Fuss.
Höflich standen sie, Fuchs vor Fuchs, einander bedienernd,
Gleich zween Kämpfern, bevor los zum Turniere sie zieh'n.
Reineke sprach: "Mein theuerster Ohm, ich seh' es, Ihr freut Euch,
Euren Reineke so glänzend und prächtig zu sehn"
"Wirklich," versetzte der Alte; "wie seid Ihr zu Gelde gekommen?
Ihr Philosophe, seit wann - sagt mir - lucrirt der Esprit
Windigen Spotts und die brodlose Kunst das Erhabene zu höhnen?"
"Niemals, Oheim, für Geld lach' ich die Leute nicht aus.
Hört, wie ich reich, steinreich geworden: der Müller, mein Nachbar
Stak in Schulden, im Haus lagen ihm Veitel und Hersch
Ewig mit Mahnung und Drohung; verzweifelt irrt er nach Geld um;
Und allabendlich lief bang ihm entgegen sein Weib,
Ob er gewendet die Noth und Hülfe gefunden? Vergebens !
Selbstmord sann er zuletzt, schlich mit dem Strick in den Wald.
Denkt Euch jedoch, er fand, da die tödtliche Schling´ er schon knüpfte,
Gold! Gold! Schätze von Gold, aber den Bösen dabei.
Dein sei alle dies Gold, wenn du mir verschreibst, was am ersten
Heut entgegen dir läuft, raunte der Teufel ihm zu,
Topp! rief in Todesangst der Müller. So fallen die Menschen,
Grinste der Satan, trotz aller Geschichten in Netz;
Wie viel Märchen warnten nicht schon! Sie werden nicht klüger.
Müller, auf Wiedersehn! - Ueber dem Schatz sass der Mann
Starr, geblendet von all der gleissenden Fülle des Goldes;
Doch er heulte: Mein Weib hab ich verraten, mein Weib!
Und just kam ich des Wegs und liess mir den Casus berichten.
Halbpart, Müller, ich weiss Rettung: der Teufel ist dumm,
Dumm wie das Mittelalter; die Neuzeit weiss ihn zu prellen;
Eil' an das nächste Büreau, telephonire nach Haus.
Hersch und Veitel, ich komme mit Geld für Einen von beiden,
Und, wer zuerst kommt, mahlt, wie sich gebührt, auch zuerst:
Hei! wie stürzten die Wuchrer dem Müller entgegen!Ein Wettlauf
War's wie im Corso von Rom weiland zur Carnevalszeit.
Hei, das gab 'nen Gestank als der Teufel die beiden sich holte!
Müller und Müllerin beglückt, theilten die Schätze mit mir,
Gaben als Trinkgeld, (heisst: als Dotation) ein Milliönchen
Noch überher." "Ei, ei, da gratulir ich, mein Freund.
Ermelin, Töchterchen, komm und bring uns ein Krüglein Getränkes."
Und Freund Reineke fuhr fort mit dem Wunderbericht:
"Ohm, ich heisse fortan der reichste Mann der getauften
Welt; was immer das Herz wünsche, gewähr' ich mir leicht;
Heisch' ich die Leier Apolls, die Rebe des Bacchus, den Gürtel
Aphroditens, sie sind Alle zu haben für Geld.
Eines Schatzes jedoch, des herrlichsten, darbt auch der Reiche
Oftmals, während der Knecht hinter dem Pflug ihn besitzt.
Selig, welchem der Herr ein tugendsames Gemahl gab."
"Reineke, vive l'amour! Eure Zukünftige hoch!"
Reineke lächelt' und sprach: "Mein Ohm, ich empfang' Euer Omen.
In der Familie bleibt Lieb' und Vermögen, will's Gott!
Wählen könnt' ich mir leicht aus den edelsten Töchtern des Landes;
Findet der goldene Bull leicht doch ein goldenes Kalb;
Aber gewählt hat lange mein Herz: Schön' Ermelin lieb' ich."
"Ei," sprach Rothrich gedehnt, "Neffe, das wär 'ne Idee."
"Ermelin, Töchterchen, komm und bring uns ein Krüglein Getränkes;
Solch ein gewichtiges Ding spricht sich behaglich beim Glas."
Ermelin kam und brachte den Wein und es tranken die Herren,
Rotherich immer aufs Neu' schenkte den Werbenden ein,
Sprach von der Quadrupedodyssee und dem Reineke Goethes,
Kramte den Stammbaum her, rechnete Zinsen vom Zins.
"Reiche Parthie, ja, reiche Parthie, doch erlebt' ich vor Zeiten
Eine noch reich're - gewiss - wesentlich reichere; hört -
Trinkt doch, Neffe, - besinnt Ihr Euch noch auf die sel'ge, wie hiess sie?
Die solch reiche Parthie einst mit dem Vetter gethan?
Trinkt doch. - War es der Vetter? der Ohm? - es thut Nichts zur Sache.
Stossen wir an! Aber was meint Ihr, was gab der Gemahl
Ihr in den Brautschatz - nun? So trinkt doch, was meint Ihr wohl, gab er?
Wartet, Ihr rathet es nicht, doch ich entsinne mich gleich -
Ei - was gab er auch noch? Gleichviel; es thut Nichts zur Sache -
Neffe, das war 'ne Parthie!" Aber dem Werbenden ward's
Heisser und heisser zu Muth - das Getränk, die beklommene Höhle
Und des betrunkenen Ohms trunkenes Geschwätze! Der Sammt
Starrt' und der Atlas um ihn. - "Mein Neffe, gedenkt wie der Roden -
Stein als bacchantisch Costüm rühmte das Unterkamsol!"
Schwerer ward Rotherichs Zunge und Reineke fühlt' auch die eigene
Schwer und das eigene Wort klang ihm so wunderlich fremd.
"Oheim! Schwiegerpapa! Ihr seid mir ein lustiger Vogel,
Trinkt Ihr den jüngeren Mann lachend doch unter den Tisch.
Prosit! du ehrliche Seele!" Da warf seine Joppe der Oheim
Weg und das güldene Kleid streifte der Neffe sich ab.
Rotherich lachte; sein ganzes Gesicht erglänzte vor Wonne;
Nicht Arminius sah froher den Varus im Sumpf.
Freundlich trat er zum Neffen und streichelt' ihm freundlich die Schulter:
"Reineke, kluger Kumpan, fahre, mein Söhnchen, so fort;
Uebe Dich fleissig in Listen, was fleucht und was kreucht zu berücken;
Aber bedenk es: für mich stehst Du nicht früh genug auf.
Millionendotirter, seit wann bedecken Brokatrock,
Spitzenjabots und Braguettes denn ein zerrissenes Hemd?"
Sprach's und griff ihm hinunter am Rücken, wo eine partielle
Negation sich erwies in dem intimsten Gewand.
Reineke fühlte den Griff in das klaffende Vacuum ; jählings
Dampften die Geister des Weins aus dem ernüchterten Hirn.
Solch abscheulicher Tücken, vom eigenen Ohm sich versehen,
Listig vom Rücken den Rock schwatzen, und was man entdeckt,
Auszudeuten so unbarmherzig! - Was giebt's doch für schlechte
Füchse! Sind Glauben und Treu denn von der Erde gefloh'n?
Rotherich grinste: "Du Schlucker, ich hätt' es durch blossen Vernunftschluss
Gleich Dir beweisen gekonnt, dass Du zu schwindeln versucht;
Tressen und Trödel verleih'n erst den reichen Aplomb, wenn ein dickes
,Gott sei Dank, dass ich's hab', fromm an der Stirne Dir steht.
Fromm ist, wer da besitzt; denn der liebe Gott ist der Popanz,
Welcher das hungrige Heer Spatzen vom Acker ihm scheucht,
Und wir zollen ihm Furcht und Reverenzen, damit nur
Reverenzen und Furcht uns auch erweise der Spatz.
Geld und Glauben sie sind der Gesellschaft Anker, die Hunger
Und Unglauben bedroh'n, sieh die Geschichte nur durch.
Ketzer jedoch und Bettler dazu! - Du wirst ein moderner
Anachoret oder machst dich mit Banausen gemein."
"Anachoret, das bin ich, derweil atheistischer Schweinstall
Tief mir das Herz, wie der Stall christlicher Hämme empört." -
"Neffe, die mildeste Form des Gedankenbankrotts ist das Credo;
Dumm, doch zerstörend zugleich tobt Marseillaisengebrüll.
Einstmals schämt' ich mich auch der durchlöcherten Hose des Glaubens;
Doch sanscülottischer Plebs hat mich sie schätzen gelehrt."
Reineke d'rauf: "Ich sah einen Fürsten Kasernen besuchen,
Und leutseligen Munds nascht' er Commissbrod dabei,
Pries es als äusserst gesund den Soldaten; dann fuhr er nach Hause,
Und mit Pastet' und Fasan schlug er den Magen sich voll, ihr
O, Otterngezücht, ihr schwelgt an der Tafel des Geistes,
Und mit Predigten stopft ihr und Commissbrod das Volk!" -
"Schilt nur, " sagte der Ohm; "doch scandire mir besser:
,Commissbrod`
In dem Pentameterschluss! - Hätte das Platen gehört ! "
"Brav!" rief Reineke, "müssen die Herrn zugeben den Inhalt,
Flicken sie uns ob der Form doppelt begierig am Zeug."
IV.
Waldnacht.
Vollmondzauber beglänzte den Wald; die nächtlichen Winde
Trieben ein lichtes Gewölk durch das unendliche Blau,
Gleich als zöge der Engel des Friedens, sein Schwanengefieder
Weit aufbauschend, dahin über das schlummernde Land.
Aber die schwärzlichen Wipfel, die tausendzungigen, summten
Leise das ewige Lied: Ehre sei Gott in der Höh!
Frieden auf Erden! Das Lied, übertönt vom geschäftigen Tage,
Hörbar, ein Weltpulsschlag geht's durch die ruhende Nacht.
Leise neigt sich die duftende Saat, von Halmen zu Halmen
Flüstert es weiter, das Schilf flüstert am Weiher darein;
Und nun regt sich's im Wald, von Aesten wandelt zu Aesten
Und von Gezweig zu Gezweig sanft der melodische Hauch;
Aber mit hellerem Klang, den raunenden Stimmen erwidernd,
Jubelt die Nachtigal auf; Ehre sei Gott in der Höh',
Frieden auf Erden und allen Geschöpfen ein reines Genügen!
Ruhe vom Streit, Creatur, ruh' in der Liebe des Herrn!
Also singt am Altar der Priester inmitten des Volkes,
Wenn es mit leisem Gebet murmelnd die Vesper begeht.
Und dem wandernden Mann, der einsam, schweigend dahin zieht,
Rührt es in innerster Brust mächtig wie Himmelsgewalt;
Was er am sonnigen Tage gedacht mit schneidiger Schärfe,
Was er belacht und verhöhnt, was er bekämpft und verdammt,
Nun versinkt es ihm all in friedlich dämmernden Halbschlaf;
Aber im Herzen erwacht ihm unermesslich Gefühl.
Seufzend hebt sich die Brust, die Wimper thaut, und die trotz'gen
Hände, sie falten sich still: Ehre sei Gott in der Höh'!
Schwärmerei! du entfliehst wie Nachtspuk, wenn nur der Hahn kräht!
Aber, o wehe der Brust, die nicht zu Zeiten auch schwärmt
Und der gesammten Kritik der reinen Vernunft wie zum Tort just
Hinschmilzt sehnenden Drangs in ein romantisches Nichts.
Reineke sass auf dem Grabe des Jägers, der Theuersten harrend,
Ob sie durch Busch und Gedörn schlüpf an die Seite des Feunds.
Grimmig nagt' ihn der Aerger: "Die löchrichte Hose des Glaubens!
Bringt mein durchlöchertes Hemd heute sie wieder zu Ehr?
Welche Gelehrte haben nicht schon des heiligen Wirrwars
Toll widersprechenden Wust klar anatomisch secirt!
Welche Poeten nicht schon ihn zersetzt mit der Lauge des Spottes!
Immer noch lebt das Gespenst: Spott und Kritik sind verthan.
Unverwundbar lacht's mit dem Lächeln der Dummheit den Geistes-
Riesen blöd in's Gesicht; Zwerg, wie ich bin, ich ertrag's
Endlich wohl auch." Und die Schmerzen verzogen, die zornigen Pulse
Ebbten, der schwingende Schweif ruht' auf dem kühligen Stein.
Lieblich stimmte die Nacht des Liebenden Seele zur Andacht
Oder dem je ne sais quoi schwärmenden Ketzergezüchts.
"Singe, Frau Nachtigal, nur; von eigensüchtiger Fresslust
Frei, voll reinen Gefühls freu' ich mich innig des Klangs.
Kann ich unglaubliche Dinge nicht glauben und fahr' ich zur Hölle
Desshalb; sei es! Doch hängt Glaube vom Willen nicht ab;
Und mit dem redlichsten Willen erzwing ich mir Flügel zum Fliegen
Eh' denn das Glaubensorgan, das die Natur mir versagt.
Aber ich bin nicht schlechter darum als die anderen Thiere;
Sünder sind wir zumal, was unser Credo auch sei.
Dennoch bin ich kein hündischer Lump, kein Mörder im Sinne
Irdischen Rechts, wie der Schurk' Iltis und Marder der Schuft,
Die sich aus teuflischer Lust nach Wollustkitzeln im Blute
Baden, nicht wie der Wolf, der unersättlich verschlingt.
Wen ich fresse, den fress' ich aus Noth, wie' s Ordnung der Welt ist.
Warum noch Sünd' und Schuld nennen, was göttlich Gesetz?
Warum ein nebelhaft Ideal von der Liebe des Feindes?
Warum mit Segen den Fluch lohnen, mit Liebe den Hass?
Folgte die Welt einen einzigen Tag dem phantastischen Lehrer,
Kehrt' am nächsten sofort scheusslich das Chaos zurück.
Jeder gesteht es. Warum scheinheilige, heuchelnde Ehrfurcht
Einem Princip, dem Vernunft, dem die Natur widersagt?"
So reflectirte der Fuchs. Da schnuppert er auf: die Geliebte!
Trug nicht der nächtliche Hauch ihren Ambrosiaduft?
Reineke steckte die Nas' in den Wind - war's Ermelin's Wittrung? :
Thörichtes Herze, das ist nicht das Gedüft, das du liebst;
Täusche dich nimmer; denn sieh, ein zitterndes Reh aus der Waldnacht,
Ach, ein blutendes, tritt durstig zum sprudelnden Bach.
"Unglückseliges Thier," sprach Reineke, "jetzt in der Schonzeit,
Wer hat frevelnden Muths so Dich, Du ärmstes, verletzt?"
Und das ächzende Reh erwidert: "Ein wildernder Köter
Hat mir aus Lust am Verderb tödtliche Wunden versetzt.
Hätt' ihn der Hunger getrieben, so fiel ich im Kampfe um das Dasein;
Doch er war satt; Bosheit, sinnlose, rafft mich dahin."
Sprach's und in eisigem Frost erbebt' es an allen Gelenken,
Taumelte schwindelnden Haupts hin und verendete still.
Reineke kratzte sich hinter dem Ohr: - "Der Himmel ist leichtlich
Wohl zu entbehren, doch schwer miss' ich die höllische Gluth;
Denn es laufen im Leben soviel maledeite Canaillen
Ungehangen umher, frech, als die Söhne des Glücks,
Dass für jeglich System der Weltanschauung die Hoffnung
Nöthig uns wird: Dereinst brennen die Köter im Pfuhl."
V.
Lampe.
Reineke knurrte: "Das wird die hochwohlweise Kritik mir
Unter die Nase gewiss reiben: ein ganzer Gesang
Ist mit romantischem Schwindel verthan; mit Speculationen
Und Reflexionen, derweil kläglich die Handlung stagnirt.
Und ich sag' es mir schon im Voraus, wenn die dürftige Fabel
Bald nicht sich bessert, so sei ferner, wer Lust hat, ihr Held.
Handlung! Handlung! und wär' es auch nur der Tod eines Haushahns; -
Vorwärts!" Sprach's und entrann. Aber das Zeichen ist schlimm:
Schneidet dem Wanderer ein Hase den Weg, so scheitert sein Plan ihm
Sicherlich. "Götter, wann kommt endlich Handlung in Fluss?
Gott verzeih' es der Muse - was schickt sie den Hasen zur Unzeit
Mir in die Quere?" Doch schon machte sich Lampe heran;
Blühend erschien er im Glanze der Jugend, die prangenden Löffel
Trug er wie ein Panier Amors erhoben und stolz:
"Schön guten Morgen, mein Ohm!" - "Mein Neffe, wohin denn so eilig?" -
"Freien, mein Ohm." - "Wen denn? Wusste nicht, daß Ihr verlobt."
"Ermelin Rotherichs Tochter." - "So segne die Stunden der Andacht
Euch der Kukuk; schon lacht mystisch verheissend sein Ruf,
Weil Grasmückchen ins Nest er glücklich sein Ei practicirt hat,
Grössers Wunder vielleicht hat er bereitet bei Euch;
Schurz bei Seite! Ich biete mich an als zukünftigen Gevattern,
Stolz auf die Ehren, die uns blühen durch Euer Verdienst.
Eures heroischen Namens gefeierter Klang, der die Welt bald
Mächtig durchtönt, er verleiht Ruhm auch den Füchsen hinfort.
Zieht Ihr im Kriege voran; im Frieden dürft Ihr dem König
Folgen zunächst und sogar treten die Spur seines Schweifs,
Das ist das köstliche Recht des. Trommlers; ach ich beneid' Euch,
Generaltambourmajor; habt Ihr 's Patent schon im Sack?"
Lampe verstutzte sich schrecklich. "Ich bin ja der Trommler in Friedens-
Zeit auf der Wachtparad' ; trommle wer will in der Schlacht."
"Scherzt nur," sagte der Rothe, "Ihr habt ja Eure Bestallung
Schon in der Tasche; der Herr hat Euch schon gestern ernannt."
Lampe war still geworden, er senkte die Löffel, das Näschen
Zitterte heftig und tief duckt' er hinunter in' s Kraut.
"Würde der König mich gleich einrufen?" - "Gewisslich, wir zieh'n ja
Gegen den König des Zauns nächstens zu Felde; der Bär
Hat den verderblichen Streit mit dem Vogel begonnen, das büsst nun
Mannicher junge Soldat blutig auf blutiger Haid'." -
"Reineke, theuerster Ohm, ich habe - zum Glück, daß mir 's einfällt,
Wicht'ges vergessen daheim - gleich bin ich wieder bei Euch.
"Wartet derweil;" und er machte sich fertig zum Sprunge. - "Mein Neffe,
Was ist's Wichtiges denn?" - "Haltet mich, Oheim, nicht auf.
Wichtige Dinge, gewiss hochwichtige Dinge, ich kann Euch
Gar nicht sagen, wie sehr wichtig; ade, nur ade!"
Und spornstreichs, ihm klapperten laut die Löffel, die Wolle
Pfiff ihm, fegt' er gestreckt über die Heide zurück.
Reineke lächelt' ihm nach: "Der kommt mir nicht mehr in's Gehege.
Freilich, der liebt seinen Feind ganz wie sich selber und sorgt,
Keinem ein Leides zu thun! Nun harret nur, Schwäher und Bräutchen, -
Ob wohl ein Hahn drum kräht, spüre derweilen ich aus."
VI.
Grimbart.
Rüsteviel schalt mit dem Hüter der Gänse: "Junge, was heulst Du?" -
"Junge, was heulst Du? Jawohl! Glaubt Ihr, ich lache noch gar?" -
"Brennt's denn, oder hat wieder der Fuchs eine Gans Dir gestohlen?"
"Hat er gestohlen? - Ihr glaubt doch nicht, er hätte gebracht?"-
"Kam er denn wieder vom Walde?" - "Ja, kommt er denn sonst aus dem Dorfe?"
Ueber den Hügel?" - "Gewiss, kommt er denn sonst unter durch?"
"Liefst du dem Satan nicht nach?" - "Voran ihm könnt' ich nicht laufen."
"Warfst 'nicht mit Steinen nach ihm?" - "Werf ich denn sonst mit Confect?"
"Ziehe die Hosen dir stramm, sonst zieh' ich die Gans dir vom Lohn ab;
Recht und Gerechtigkeit muss sein, und das Hauen ist süss."
Reineke hatte derweil in des Waldes dunkelsten Gründen
Zierlich die Beute gerupft und mit Behagen zerlegt;
Schmausend sass er, da hört er von fern, wie der Bauer dem Jungen
Des Hexameters Mass fest auf den Rücken gezählt.
"Ein Unschuldiger duldet für mich; die Gerechtigkeit fordert
Striemen, auf meinem Pelz oder 'nes Andern, egal;
Ich bin erlöst; und hinfort begrüss' ich den Jungen mit: Ecce,
Agnus Rustevieli, tollis peccata mea.
Also grinst' er; ihm war nicht Dogma heilig noch Metrum,
Den Schulmeister verhöhnt' frech wie den Pfaffen sein Vers.
Aber der Herr, langmüth'ger als seine Agenten, belohnte
Gnädig den Spott; durch's Gebüsch sandt' er ihm Ermelin zu.
"Hast mich vor Lampe gerettet, Erfindungsreicher, nun finde
Neues; der Vater hat nun, ach, mich dem Dachse verlobt.
Vor dem unseligen Bund mit Lampe konnt' ich nicht warnen;
Schwänzte der zärtliche Fant stündlich doch um mich. Der Dachs
Liebt mich verständ'ger und gönnt mir heut' ein Stündchen der Freiheit;
Gestern erst sprach der Papa klar das entscheidende Wort,
Sprach es, nachdem er mit List, das Hochzeitsmahl mir zu rüsten,
Selbst mich beschwatzte: ,Mein Kind,' sprach er, , ich geb' ein Diner
Nächstens, ich habe die Angeln des Fischers besucht und des Voglers
Sprenkeln; allein am Dessert, sowie am Braten gebricht's;
Schöne Kalkuten ernährt der Baron, entferne die Hunde
Klug in den Garten; vom Hof hol' ich derweilen den Hahn.'
Und er geleitete mich an den Edelhof in die Boskette,
Dass ich die Hunde zu mir locke, - wie schlug mir das Herz!
Denn das Stück ist gewagt und ich bin ein zagendes Mädchen;
Kaum aus dem heiseren Hals wagte sich schüchtern ein Ton,
Als auch mit lautem Geheul anstürmten die Hunde, und schlimmer,
Eben gerüstet zur Jagd trat der Baron aus der Thür.
Gradaus zieht sich ein Weg durch den Garten, am äussersten Ende
Siehst Du von Lindenzweig kühl eine Laube gewölbt;
Dahin floh ich im rasenden Lauf, nachstürmten die Hunde,
Blindlings fuhr ich hindurch durch das verzwickte Geäst,
Hinten zum Graben hinab; da knallte die Büchse, die Blätter
Stoben, - in hellem Sopran schrie's und in tieferem Bass.
Das war Rettung in Noth: Ein Knäul von Hunden und Menschen
füllte mit Schelten und Schrei'n, Bellen und Beissen den Platz;
Denn mit dem Reitknecht hatt' in der Laube das gnädige Fräulein
Etwas spazieren geruht, als ich hinein mich gestürzt;
Und mit dem Rebhuhnsschrot gab ihnen den Segen der Freiherr;
Heiss wie der heilige Geist prasselt' er über sie her.
Und gerettet sah ich mich um und fand mich im Weinberg;
Purpurne Trauben umher luden zur Ernte mich ein.
Siehe, da kam auch Papa mit dem fett'sten Kapaun in der Schnauze,
Den er inzwischen im Hof glücklich am Kragen gefasst;
Reichlich beladen zogen wir ab, und im Gehen gestand er,
Dass ich den Hochzeitsschmaus selbst, den verhassten, besorgt."
Reineke tröstet': "Mein Schatz, nur Muth und mach Toilette,
Spiele die glückliche Braut; ich aber suche den Dachs."
Durstig kamen im Staub des brennenden Weges ein alter Esel,
ein räudiger Hund und eine heisere Katz'
Nebst einem weiland Hahn im Korbe, die Freunde, die Bremer
Stadtmusikanten, die vier, und sie krakehlten sich nicht,
Wenigstens öffentlich nicht; sie hassten natürlich, doch schweigend.
Ständchenträchtig am Schloss Rothrichs gruppirten sie sich:
"Weithin glänzte das Meer im letzten Scheine des Abends,
Einsam am Fischerhaus sassen wir stumm und allein,"
Scholl es als Nachtmusik vor Ermelins Fenster; des Dichters
Sentimentales Geseufz hatte der Vater erlaubt;
Aber wäre das Riesengeschlecht der Gedanken, das spielend
Götter und Götzen in Staub lächelt, der Schwelle genaht,
Eingekniffenen Schweifs und winselnd hätt' er gezetert:
"Haut ihn, doch haut ihn nicht aus; Heinrich, mir graut es vor Dir!"
Ermelin setzt' ihr zartes Gestell derweilen zu rechte
Fröhlich; man putzt sich doch gern, wenn's auch zum Freien nicht kommt.
Ganz mit Myrthen durchflocht und Orangenblüthen den Schweif sie,
Uebrigens decolletirt ging sie, wie Gott sie erschuf;
Thun das andere Mädchen doch auch, die nicht mal so schönen
Röthlichen Pelz auf der Haut tragen, wie Ermelin trug.
Während die Damen die Braut beneideten, grüsste die Männer
Rotherich: Marder und Ilk, Kater und Spiesser und Bock.
Auch hochzeitliche Vögel, den Kukuk, den Storch und den Mistfink;
(Glücklich, welchen der Storch nicht vor der Hochzeit besucht!)
Aber der Eine, der Dachs, der Bräutigam, zögerte lange;
Schaudernd dachte der Greis, wie mit dem Hasen es ging,
Wie sie geharrt und geharrt, wie Braten und Suppe verbrannten,
Wie hungrig der Pastor stöhnte: "Wann geht's denn zu Tisch?"
Wie mit verhaltenem Spott allmählich die Gäste sich drückten :
"Biete nicht Hering aus, eh' Du gehoben das Netz!"
Rotherich's Füsse bewegten im Triller sich; Rotherich's Schwanz ging
Pendelnd, man konnte daran messen die Höhen des Zorns.
Zehnmal in der Minute berechnet' den Stand er der Sonne;
Goldig hinter dem Forst glommen die Wolken schon auf.
""Weithin glänzte das Meer im letzten Scheine des Abends.""
"Hole der Gauch die Musik! hab' ich denn Nerven von Stahl?
Dort muss er kommen des Wegs am borstigen Igel vorüber,
Bis an die Schenke, mich dünkt, sollt' ich entgegen ihm geh'n."
Und so trabt' er dahin mit der Braut und den sämmtlichen Gästen; ......
Ernste Gesellschaft schien thätig im Kruge zu sein;
Denn man hört' auf den Tisch das dumpfe Dröhnen des Faustschlags:
"Trumpf! und abermals Trumpf! Wenzel! und Schneider!
Wer giebt? Summe der Weisheit scheint dem Eingeweihten solch' Rothwälsch:
Doch dem Profanen des Hirns schwerster Erweichungsprocess.
Ach, die Nation von Denkern, ward eine Nation sie von Trinkern?
Am Fressbiertisch zum Skat ward ihr ästhetisches Spiel?
Grimbart hockte, das Spiel mit dem Murmelthier und dem Wildschwein
Wiederkauend am Tisch; Reineke mischte und gab.
Eben hatte die Wirthin des borstigen Igels von Neuem
Jedem den Seidel gefüllt, Jeder auch schmiert' sich 'nen Strich
Auf die Manschette, wie üblich, die Zeche hernach zu berechnen;
Manche Manschette sah aus wie 'ne Musikpartitur.
Wehe, da stürmt wie das wüthende Heer die Hochzeitsgesellschaft
Krachend die Thüre des Krugs! wehe dir, Wenzel! Tableau!
"O Geliebte vergieb, - die alte Gewohnheit des Skatclubs -
Ach, ich hatte so viel Forcen - ich spielte mich fest -
Und die Revanchen - bedenk - und Reineke war unersättlich,
Ach, und das Bier war so gut, ach, und der Tabak so schwer,
Und so verging mir die Zeit." - "Und so verging dir die Hochzeit.
Hebe dich weg! fortan kennen wir Deiner nicht mehr!"
Und überfallen von Krallen und Tatzen und Pfoten und Klauen
Flog er, moralisch sowie physisch gelyncht, aus der Thür,
Aussen und innen geknickt. - Betrübsam schlich er dem Bau zu.
Hagestolz wie er war, wärmt' er sich selber das Bett.
Eins nur war ihm ein Trost: ihn däucht', er hätte die Wildsau
Mit dem geliebten Gemahl heftig in Hader gehört
Wegen des Zaunigel-Klubs. "Das ist doch ein Segen des Led'gen,
Dass im gewohnten Plaisir nie eine Gattin ihn stört."
VII.
Isegrim.
"Rotherich," sagte der Wolf, "mein Weib ist Todes verblichen,
Weil einen Tischler mitsammt Winkel und Hass sie verschlang.
Heute bestatten wir sie; ich lass' ihr noch: "Wie sie so sanft ruhn"
Blasen in's Grab; Bellin hält ihr den letzten Sermon.
(Billiger tut er's als sonst - im Vertrau'n - denn die Zeiten sind sehr flau;
Nächstens bekommt man noch Geld zu, wenn man Pfaffen benutzt.)
Vetter, ich lad' Euch zur Folge; ich hab' Euch noch Manches zu sagen;
Und für das Leichenbankett schlug ich ein jähriges Rind."
Sprach's, und wälzte sich um in dem schwarzen Staube des Meilers,
Welchen der Köhler geräumt, dass er mit Trauercouleur
Schmücke den Pelz. Und sie folgten der Leiche; Bellinus der Schafbock
Trat an die Gruft und er pries Gieremunds sanftes Gemüt,
Pries ihre Frömmigkeit auch in Worten und Werken: zum Beispiel
Warf sie vor Zeiten ein Pferd nieder und frass es; da kam
Bettelnd ein Mäuschen geschlüpft, dem wehrte sie nicht, an dem Knochen
Weiter zu nagen; so warm schlug für die Armen ihr Herz.
Tröstend wandt' er sich dann an den Wittwer: "Sie war für die Erde
Leider zu gut, und der Herr hob sie zum Himmel empor;
Wolkenschäfchen verspeist sie in Fülle, da grüsst sie der grosse
Bär und der kleine; das Lamm Gottes ist nun ihr Gespiel."
Tiefergriffen stand Isegrim da und guckt' in den Krepphut,
Maulwurf guckt' in den Hut über dem Spaten gebeugt,
Leichhuhn mit den Genossen in üblicher Trauergeberde
Guckt' in den Hut, in den Hut guckte das ganze Gefolg'.
Isegrim kratzt' eine Pfote voll Sand auf den Deckel des Sarges,
Vettern und Oehme sodann kratzten das Ihre hinzu;
Aber nicht viel; denn es knurrten gewaltig die Mägen, sie trabten
Ahnend das jährige Rind hinter dem Wittwer einher.
Nasskalt war's und ein nebliger Wind in nüchterner Frühe
Und eine Predigt dazu - läugne den Hunger wer kann.
Rechtshin bog sich ein Pfad zu der Burg, ein linker sich waldwärts;
Hier an der Scheide vertrat Isegrim ihnen den Weg:
"Freunde, Vettern und Oehm', ich dank der erwiesenen Ehre,
Und ich lud' Euch so gern ein in mein gastliches Haus;
Aber ihr wisst, wo die Frau fehlt, fehlt es an Allem". - "Ihr habtdoch,
Mein' ich, ein jähriges Rind," sagte der Luchs, und es fiel
Anspruchslos der Kater ihm bei, - "wir nehmen vorlieb wohl."
Aber mit blankem Gebiss grinste der Graue sie an;
Und er stellte sich breit auf den Weg und knurrte bedrohlich,
Bis sich das Trauergeleit wirklich nun trauernd verzog;
Selber mit Rotherich ging er sodann in die eigene Wohnung:
"Vetter, die Zukunft gähnt schwarz dem verwittweten Mann;
Manchen kenn ich, der heult: ein Weibchen, ein Weibchen, ein Pferd für'n
Weibchen! Wie lange wohl pflegt Krepp man zu tragen am Hut?"
Rotherich sagte: "Je nun, je nachdem; doch die Lippe der zweiten
Küsst sich so lieblich, als kaum die sich der ersten geküsst." -
"Mancher vertröstet wohl Manchen, der, würb' er, den Korb ihmbereit hielt'." -
"Mancher fürchtet den Korb, sonst offerirt' er zuerst.' -
"Sagt mir, ich frage nur so, was botet dem Dachs Ihr zum Mahlschatz?"-
"Manches; doch doppelte Gift böt' ich dem adligen Herrn." -
"Ermelin ist Euer einziges Kind? Ich wüsst' ihr 'nen Freier." -
"Mit der Empfehlung von Euch sollt er willkommen mir sein." -
Leiseren, flüsternden Tons nun sprachen sie, steckten die Köpfe
Dichter zusammen; der Wind blies ihre Worte hinweg.
Eins nur hörte man noch: ,Mein Isegrim, wahrt das Geheimniss,
Wahrt's, dass es Reineke nicht höre; gedenkt an den Dachs,
Denkt an den Hasen; der Schalk, er verhinderte Beiden die Hochzeit;
Hütet Euch selber! Die Braut halt' ich zu Hause bewacht.' -
"Sorgt nicht," sagte der Wolf und empfahl sich; aber der Fuchs stand,
Gleich als wartet' er noch auf das gemästete Rind;
Isegrim hatt' es jedoch vergessen und eilte von hinnen.
"Adel ist Adel, doch Filz leider ist immer auch Filz."
Gähnend ergraute der Herbst ein plein-air-Bild; Reineke strich um
Ermelin's Höhle, wie oft! immer vergeblich umher.
Und es begab sich, dass nächstens der Held in den Aeckern der Landstadt
Kam an ein stilles Gehöft, welches so lockenden Duft
Strömt' aus den Scheuern und Schuppen, dass Reineke näher sich wagte
Und mit begehrlichem Blick Graben und Zaun untersucht'.
Ringsum Schweigen; ein schläfriger Hund lag vornen am Hofthor.
"Auf denn! hinter dem Zaun sacht durch die Lücke geschlüpft;
Sacht nun über die Gruben ein Sprung. - Pfui Kukuk! wie glitschig
Ist das Terrain und wie steil! Gleit' ich noch gar in die Fluth?"
Wirklich! da glitt er zurück bis über die Ohren. "Pfui Kukuk!
Welch ein Morast! Lauwarm! Rückwärts, vortrefflicher Cid!"
Rückwärts gondelt' er eifrig mit allen vier Füssen dem Zaun zu;
Schamroth ob des Malheurs kroch er zur Lücke hinaus.
Aber, o Wunder! in Kurzem erstarrten die Haare, erstarrten,
Klebten am Leibe; der Schweif wurde so dünn wie ein Stock,
Leimfabrik! Ich ging auf den Leim! Leimsiedende Menschheit,
Hast du dem Genius je schlimmer die Flügel verklebt?
Ach, da frommte kein Putzen, kein Lecken; von dorrendem Laube
Rasselt' er; Riedgras hing, Moos und Geschilf um ihn her.
"Aber incognito geh'n! - Ich Thor! - Was verlang ich denn besser?
Jupiter schlich sich als Ochs, Goethe sich als Theolog
Zu der Geliebten; wohlan, auch mich geleite die schnöde
Maske, mein Mädchen, zu Dir." Rief's, und in freudigem Sprung
Schnellt er empor und eilend entrann er zu Rotherich's Waldburg;
"Heil Euch, würdiger Herr, Allah, il Allah Signor."
Rotherich prallte zurück: ,Scheuselige Bestie, was willst Du?'
"Gebet mir, -per caritá - Osiris und Isidor segnen's -
Armer Reisender sein, Basilisk - nix Essen - nix Arbeit;
Schon acht Tage kein warm Löffel im Leibe gehabt."
Rotherich sprach: ,Basilisk? Nein Obelisk will Er sagen;
Wildes Geziefer am Nil, wie mir erzählte der Storch.
Noch kein lebendes Exemplar in Europa gesehen'.
"Molto raro, mein Herr; Heiliger Vater hat mich
Seinigen Kindern gezeigt; Prinzessen und Prinzen mich futtert."
,Ermelin, Töchterchen, komm; - interessantes Geschöpf!
Dreh' Er sich um. Welch schnurriger Schwanz! Mein Kind, in Egypten
Betet die Thiere man an: braucht sie als Uhren sogar,
Weil ihr Schatten daselbst den Stand der Sonne bezeichnet.
Parlez-vous francais? Ich frag', ob Er Französisch versteht?'
"Oui, langue-bo. Ebormebolin, kebonnst Dubo miboch?
Waborubom speborrt Diboch debor Abolte
Eibon?" O süsse Musik, bo-sprachliche, Ermelin kennt Dich,
Ach, und erkennt, wer Dich spricht! "Väterchen," jauchzt sie, en bo,
Sprech' ich so gern; lass mich dem fremden Wandrer erwidern.
Freibon wiboll miboch Ibosebogribom
Moborgebon; hibolf!" - "Gebowiboss," sagte der Fremdling.
Aber der Vater, verstimmt, knurrt': "Für elegisches Maass
Scheint mir die Sprache denn doch unüberwindlich; Genug jetzt.
Hol' ihm 'nen Knochen, dann packe Dich fort, Obelisk;
Gräulich stinkst Du." - "Mein gnädiger Herr, ich sein ein Instinkttier.
Bien remerci der Mamsell - Isis und Louisdor lohnt's.
O, wie lachte das Herz dem Rothen, indess er von dannen
Trabte; nun lag das Myster deutlich und offen ihm da.
Spornstreichs nahm er ein Bad, ein gründliches, bis sich der Gallert
Weichte, da putzt' er den Pelz, wie es auch schmerzte, sich rein.
Lächelnd dacht' er bei sich: "Mit dem Dachs und dem Hasen im Bunde
Lüstet's der Dritte zu sein, alternder Isegrim, Dich?
Willst du freien, so freie mit Gott; ich lade die Gäste!"
Und sich enthebend der Fluth lief er; es raucht' ihm das Fell.
Rotherich lag vor dem Bau, der Gäste zu harren des Brautlaufs,
Welche vom Eidam geschickt führten die Braut in die Burg.
Rotherich selber hatte durchaus sich geweigert, zum dritten
Gäste zu laden; des Fest's Kosten bezahlte der Wolf.
Sieh', und es kamen bereits der Luchs und der Kater, die Schöne
Einzuholen, es kam Marder und Iltis zugleich.
Rotherich eilte mit höflichem Gruss entgegen: "So edle
Gäste sendet mein Sohn! Ehre dem Mägdlein und mir."
Sieh', und kam auch der Otter, es kam auch der Biber, es kam auch
Braun, der germanische Bär, neben dem polnischen Petz.
Auch vom kimmerischen Nord der Eisbär wankenden Ganges
Keucht' auf des Wolfes Gebot schwer in der Hitze des Tag's.
Rotherich wusste vor Dienern und Buckeln nicht, wo ihm das Rückgrat
Stand; solch festlich Geleit traut' er dem Eidam nicht zu.
"Geizig achtet' ich ihn. - Freigebig, königlich zeigt er
Heute sich. Welch ein Bankett muss er poniren!" Da kam
Tiger, der Prinz von Geblüt, und Lupardas, es kam auch der Panther,
Prasselnd im herbstlichen Laub wälzte die Boa sich her.
Aber der Himmel verfinsterte sich, her flogen die Geier
Hungrigen Halses, herbei flogen die Raben und Kräh'n.
Unten drängten inzwischen die leiblichen Brüder des Wolfes:
Dreibauch, lungernden Blicks mit dem zerschundenen Hals,
Ach, er war der verlorene Sohn der stolzen Familie,
Hatte gesessen und war über die Märkte geführt;
Nimmersatt mit den Söhnen, dem widderwürgenden Worgram,
Gierold und Fresssack auch brach durch die Menge sich Bahn.
Rotherich schwamm in Entzücken; solch überschwängliche Ehre
Hatt' im verwegensten Traum nie seine Seele geahnt.
Eben umschwänzt' er den Tiger; nun drückt' er die Pranke desBären;
Höflich nun stellte sein Kind künftigen Schwägern er vor;
Unaufhörlich bewegt' er den Schweif; bald senkt' er verbindlich
Ihn auf den Boden und bald hub er bewundernd ihn auf;
Schüttelt' in sanfter Verneinung ihn bald; bald freudig bekräft'gend
Schwang er ihn. Aber der Luchs sagte: "Ihr Herrn, es
ist Zeit; Brechen wir auf, dass länger der Freier vergebens nicht harre.
Lieben und warten - die Qual wurde vom Satan erdacht."
Isegrim aber, der räudige Schalk, er fühlte behaglich
Sich als Gatte voraus schon in den Armen der Braut;
Fühlte sein sündenvermorschtes Gebein liebkost und gehätschelt,
Ahnt' auch Hühner und Wild nächstens zur Tafel geschickt,
Die Grossväterchen Rotherich bald der Wöchnerin, bald auch
Wachsenden Enkeln erjagt. - Aber was klang in der Luft?
Harfeniren, Flötiren von fern; - der Freier erhub sich:
"Dringt schamlos mir der Fuchs dennoch mit Gästen in's Haus?
Welch ein Geschlepp! Der Tiger, der Panther, der Schakal, der Eisbär?
Dreibauch! Worgram! Wie fletschen sie hungrig den Zahn!
Auch Lohndienergezücht: der Rabe, der Hamster, der Vielfrass!
Vielfrass! - Das ist doch stark! Das ist doch über den Spass!
Glaubt denn der Fuchs, dass ich Kälber hervor aus der Erde mir stampfe?
Glaubt er denn, dass mir ein Schaf wächst auf der Fläche der Hand?
Sachte, mein Freund! Des Leonidas Geist beseelt mich; des Torfmoors
Engpass hält mir das Heer hungriger Gäste zurück!"
Sprach's und barg sich im Sumpf, der grundlos rings um die Burg sich
Dehnt', ein einziger Pfad führte nur sicher hinein.
Ermelin doch und ihr bräutlich Geleit mit Singen und Springen
Zogen des Weges heran; Rotherich führend vorauf,
Ideal eines Schwiegerpapas; doch jähes Entsetzen
Hemmte die Stimme; den Hals hatte der Eidam gepackt.
Hell auf schrie er vor Schmerz, da stürzten die Gäste zu Hülfe:
"Hebt auf der Hochzeit schon an des Familientags
Seelenaustausch? Das hat ja noch Zeit, das kommt ja erst später!"
Und sie befreiten mit Macht ihn aus dem grimmen Gebiss.
"Frei' in der Hölle, du Hund, die Urgrossmutter des Teufels!
Ludest uns ein zum Bankett und nun empfängst Du uns so?
Hund! - (Dies Schimpfwort gilt bei den Menschen und Tieren als ärgstes;
Dennoch hätschelt der Mensch immer mit Kötern herum.)
Hund! und abermals Hund!" Und schäumend stürzte der Schwäher
Sich auf den Eidam; aufs Neu' tobte der wüthende Kampf.
Isegrim bellte: "Geladen? Wer hat Euch geladen? So scheert Euch
Alle zum Teufel; ich lud Fresser mir nicht auf den Hals."
Da, wie das Wasser erzischt, wenn das glühende Eisen hineinfährt,
Sprudelnd in plötzlichem Zorn schäumt es und siedet und spritzt,
Also fuhren im Zorn die Geladenen auf; auf den Wolf sprang
Rotherich's Freundschaft; dem Wolf standen die Brüder mit bei.
"Isegrim hat uns zu Narren!" - "Nein, Rotherich lud uns zum Luftschmaus;
Wetzten den Zahn wir umsonst, spür' ihn im eigenen Fell!"
Hochauf wogte der Staub; ein Chaos von Tatzen und Kiefern,
Beinen und Schwänzen, ein Knäul zuckender Leiber umher.
Haare stoben davon; der Eisbär packte den Tiger,
Dreibauch schlug sein Gebiss tief der Hyäne in's Fleisch,
Hoch in die Wolken entführte der Geier den Ratz; "Millionen,
Seid mir umschlungen!"" Da schlang Boa um Braun sich und Petz. -
Reineke hörte von ferne die Schlacht und freute sich innig.
"Wohl! Auch der dritte Rival glücklich bei Seite geschafft!
Solchen Präliminarien folgt als Friedensbesieglung
Hochzeit meistens, wenn kein Thier es für möglich gedacht;
Aber war sie geplant und zerschlägt sich, so schlägt mit mit des Ehbetts
Krachenden Trümmern man gern Augen und Nasen sich blau."
Näher strich er heran an die Burg; durchwatend den Moorschlamm,
Raubt' er das magere Lamm, welches der Braut' gam beschafft;
Und zu Ermelin eilt' er abseits vom Felde der Ehre:
"Speisen wir, Liebchen, wie einst hoch auf dem skäischen Turm
Helena speiste mit Paris, indess sich die Helden zerbläuten.
Tragisch wird es nicht; das hat mir der Dichter gelobt,
Der scrupulös in Bezug auf poetische Juristerei sich
Immer erwiesen. Und jetzt giebt auch der Vater Dich mir;
Doch nun kühl' ich mein Müthchen an ihm; ich reise zu Hofe."
Da schrie Ermelin: "Weh, lässt Du im Stiche mich nun?
Hätt' ich das früher gewusst, Treuloser!" - "Mein Liebchen, sei stille;
Hat mich der Vater verschmäht, komm' er nun bittend zuerst.
Dein, wie ich's immer gewesen, so bleib' ich's. - Komm in das Riedgras,
Amors Fackel, mich däucht, ladet zur Fülle des Glück's.
O, wie ruht es sich weich in den Armen der Liebe mit sattem
Magen, wenn draussen der Zwist tobt und der Kampf um den Frass!"
VIII.
Bei Hofe.
Reineke machte sich auf und gelangte zum Hofe des Königs
Nobel; er hoffte, das Glück harre mit sehnendem Arm,
Nur dass er komm' und seh' und siege. Da streckte die Schildwacht
Ihm, als ob er auf Mord sinne, den Speer in den Weg:
""Wer und woher der Männer, wo hausest, wo die Erzeuger?
Jud' oder Heid' oder Christ? Bete Dein Credo mal her."
Und er sagte sein Credo. Der unfreiwilligen Taufe
Zur Bestätigung hatt' er's bei der Confirmation
Einst freiwillig beschworen: - freiwillig? - Ihn hätte der Alte
Widrigenfalls gehaun; auch kein anderes stand
Ihm, ein stoisches oder buddhistisches etwa zur Auswahl,
Noch gab die Kirche Geduld, bis er zum Manne gereift;
Nein, als ein dummer Jung', zu jung und zu dumm zum Rekruten,
- Vögelchen, friss oder stirb - schwur er dem Christenthum zu.
Doch das Credo gehorcht wie der Confirmationsrock der Wandlung ;
Anders als Knaben liest Grotius seinen Terenz.
Und er salbadert': "Ich glaub', dass der Regenschirm ein Spazierstock
Ist, wenn er zugeklappt streng sich als Einheit erweist;
Doch dass er aufgespannt aus drei persönlichen Feldern
Sich construirt und dabei immer noch bleibt, was er war.
Bin auch stark in Moral und hüte mich, Götzen zu haben;
Doch weil von Götzen und Gott schwer man den Unterschied merkt,
Meid' ich sie beid' und führ' ihre Namen nur, wenn es mir nützlich;
Siebenmal wöchentlich ist heilig der Feiertag mir;
(Schlechter Pentameter!) Doch bin laxer ich bei den Geboten
Fünf bis acht; rigoros soll man doch eben nicht sein.
Wofür wär' auch der Mantel der christlichen Liebe, wenn eine
Bestie die andere nicht gütig bedeckte mit ihm?
Doch meines Nächsten Esel begehrt' ich vor Zeiten; die Sünde
Foltert mich schrecklich; gewiss fahr' ich zur Hölle darum.
Unter den Donner des Sinai hat's mit Mord und mit Meineid
Weiland Jehova verdammt. - Aber das elfte Gebot
Halt' ich dafür um so strenger: Ich lasse mich niemals verblüffen."
Leider am Thor der Sergeant kannte das elfte nicht recht,
Und verblüfft ob der Suada befand er in Ordnung die Pässe:
"Reisender Reineke Fuchs scheer' sieh zum Teufel herein."
Kaum auf der Gasse, begegnet' ihm schon wehklagend der Eber:
"Wiederum warf mir die Sau siebenzehn Ferkel in's Nest.
Schändlich! Aber wer wundert sich noch? Bei dem Atheismus,
Wie er die Welt corrumpirt, möglich ist Alles zuletzt!"
Klagen hört' er den Wallach auch: "Verlorene Liebes-
Mühen! Noch immer umsonst harrt mir die Wieg' auf ein Kind.
Schändlich! Aber wer wundert sich noch? Bei dem Atheismus,
Wie er die Welt corrumpirt, möglich ist Nichts mehr hinfort."
Und so scholl's ihm von rechts und von links entgegen; kein Köter
Kratzte sich Flöhe, der nicht auf Atheismus geschmäht.
Aber sein Donnergebrüll, das länderdurchschmetternde, mächt'ge,
Laut ausstossend erhub zornig der Leu sich vom Thron:
"Faul ist's im Tierreich! Faul! Es glaubt an den Storch nicht der Frosch mehr,
Nicht an die Katze die Maus, nicht an den Teufel der Mensch.
Aber das Faulste: der Storch und der Frosch, die Maus und die Katze,
Mensch und Teufel - nicht Eins glaubt an den König, an Uns.
Schändlich! Aber wer wundert sich noch! Bei dem Atheismus!
Fällt mal die Gnade von Gott, muss auch der König ihr nach.
Darum thun Wir es kund und gebieten, dass jegliches Thier sich
Wieder des Glaubens befleiss' eifrig - bei Unserem Zorn!"
Reineke kannte die Sprache der Löwen aus alten Scharteken;
Aber er dachte: der Zopf göttlicher Gnade verschwand
Längst mit anderen Zöpfen; wir sind ja allzumal doch
Sünder und Säugegethier, classificirt von Linné
Freilich nach Zähnen und Füssen und Fell und Geruch, und dem Löwen
Dünke kein Köter sich gleich; Schwindel jedoch ist der Rest.
Aber wie staunt' er, als hier mit den eigenen Ohren den alten,
Guillotinirten Jargon wirklich er spuken gehört.
Lächelnd des Papagei's der Aturen gedacht' er, der Sprache
Längst verstorbenen Volks spricht, die man nimmer versteht.
Lächle nicht, Reineke, geh' und besuche die Gönner des Ahnherrn,
Die sein Genie protegirt, höfisches Affengeschmeiss.
Damals war man bei Hofe frivol und gläubig im Volke;
Heut', was der Bau'r wegwarf, steckt in die Tasche der Fürst.
In nova, fert animus, mutatas dicere formas
Corpora. Wär' ich Ovid, hübe von Neuem ich an,
Metamorphosen zu singen, Weltmetamorphosen, zu deutsch auch
Revolutionen benannt; aber mein schüchterner Sang.
Lässt sich am kleineren Stoffe genügen. Reineke, vorwärts!
Suchst in der Welt du dein Glück, lern' die Manieren der Welt.
Ach, sie lernen sich leicht; wie sehr sie den Neuling auch blenden,
Bleibt im Salon wie im Stall stets doch ihr Codex sich gleich:
"Stecke dem grösseren Hund die Nas' in die edleren Theile;
Gegen den kleinern jedoch hebe das Bein in die Höh."
Höflich empfingen die Vettern, die Sippen und Magen den Kömmling;
Rang und Würden verhiess Jeder: "Nur etwas Geduld,
Etwas Geduld, Herr Vetter, auch rath' ich, den Consistorialrath
Esel besucht; denn der gilt viel bei dem gnädigen Herrn."
Reineke macht dem Esel den Kratzfuss. "Lieber, vertrau'n Sie
Gänzlich auf mich; und mit Gott bring' ich Sie nächstens in' s Amt;
Etwas Geduld nur, mein Lieber, auch rath' ich, die Hofballetteuse
Capra besucht; denn sie gilt viel bei dem gnädigen Herrn.
Auch die liebe Maitresse, die Sau, und die lieben Lakaien,
Köchin, Jungfer und Mops, widmen Sie dem ein Sonett."
Reineke machte der Ziege den Kratzfuss: "Bester, mich bitten
Täglich so viele; doch Ihr scheint mir besonders begabt.
Etwas Geduld nur, mein Bester, auch rath' ich, den Generallieutnant
Bären besucht; denn er gilt viel bei dem gnädigen Herrn."
Reineke machte dem Bären den Kratzfuss ; aber wie Balsam
Dünkte die Grobheit ihm, die der Gewalt'ge gebrummt.
" - - |-, was will Er? Hab' keine Zeit jetzt.
Wieder kommen! Ade! - | - | - ."
Während der Fuchs mit Visiten sich marterte, raunten am Prellstein,
Wo sich zu zwei'n oder drei'n Köter im Namen des Herrn
Sammelten: "Den protegiren? Den Demokraten, den rothen
Revolutionär ! Stehen ihm nicht an der Stirn
Liberale Tendenzen?" - "Ich schwieg aus christlicher Liebe,"
Sagte der Mops, "aber er, denkt Euch, ist Rationalist." -
"Meint Ihr?" - sagte der Pudel - "dann liesse sich noch mit ihm reden;
Saure Gurken sind auch nöthigen Falles Compot;
Aber er ist - hier knurrt' er nur leis, leis knurrten die Andern -
Ist Atheist! -" Und die Acht lag und der Bann auf dem Fuchs.
Magrer und magrer ward bei dem Chamäleonsfutter
Reineke (Hamlet ward fett und asthmatisch dabei),
Und ihn hungerte, ja, ihn hungerte; doch in der Hofburg,
Wo nach seiner Façon Jeglicher selig einst ward,
Deckte seit lange man nicht für Atheisten den Tisch mehr.
Reineke floh in das Feld herbstlicher Stoppeln hinaus,
Ob er ein Hühnchen beschleich', ein Gänschen; selbst nach den Träbern
Hätte des Winzers er gern nun in der Noth sich gebückt.
Winter ward es derweil. Kaum hatte zu beissen der Aermste
Oder zu brechen; er strich bellend die Stoppeln hindurch,
Und in Verzweiflung irrt' er umher um Dorf und Gehöfte;
Kaum aus dem Stall in den Schnee kam das Geflügel heraus.
Ueber gefrorene Seen und Ströme zog sich die Wildgans,
Hoch aus den Nebeln erscholl nächtlich ihr Klagegeschrei;
Unter dem Eise ruhte der Fisch und der Frosch in dem Sumpfschlamm,
Eichhorn, Igel und Maus schliefen im Winterquartier;
Stille des Todes bedeckte das Land, frühzeitige Nacht sank,
Einsam heulte der Nord über dem stäubenden Schnee.
Reineke glaubt zu sterben ; nur Eines noch wusst' er : ein Braten
Lag in dem Riesengefild hinter dem Anger des Vogts;
Aber der Braten, er war verdächtig, äusserst verdächtig,
Schon drei Nächte bezwang zäh er des Hungers Gewalt.
Schon drei Nächte hatt' er das Feld mit begehrlichen Schritten
Enger und enger umkreist, hatt' es auch deutlich gespürt
Was den lieblichen Duft verbreitet' : antike Poularde;
Ach, und sein liebstes Gericht zog ihn zum vierten heran.
Klappernd vor Kälte stand er; die umbarmherzigen Sterne
Warfen ihr flimmerndes Licht über das flimmernde Feld
Wilde, berauschende Düfte verströmte die Henne; was ist doch
Alles melodische Gift süssen Sirenengesang's,
Was ist aller bezaubernde Glanz des ambrosischen Leibes,
Den Tannhäusern die Frau Venus verführerisch wies,
Gegen die Omnipotenz des Beefsteakduft's in der Nase
Eines Verhungernden? - Schnapp! - sass in der Falle der Fuchs.
Gleich zween Kiefern von Eisen mit eisernen Zähnen erfassten
Jäh aufschnellend in zwei Bügel an Nacken und Brust.
Klage nun, dass nicht mit Tauen Du alle vier Beine gefesselt,
Klage nun, dass Du nicht Wachs Dir in die Nase gestopft;
Grimmig ereilt Dich ein grimmes Geschick! - Doch Reineke hielt sich
Tapfer; nicht Schrei noch Gestöhn pressten die Schmerzen ihm aus.
Lautlos harrt' er die schreckliche Nacht, die wie eine schwarze
Riesige Schnecke so träg, träge den Himmel durchschlich.
Als aufdämmernd nun Eos mit Rosenfingern emporstieg,
Resignirt er; der Tod holt sich den zähesten Fuchs.
Reineke hört' einen Schritt - nicht umschau'n konnt' er - nun kommen
Grässlich die Furien, kommt Schlimm'res als Schlimmstes: der Mensch.
Mensch? Doch riecht es nach Eseln - nach Pferden - nicht gut und nicht schlecht riecht's;
Kommt ein vernünftiger Narr? Kommt die vernarrte Vernunft?
Maulthier war's auf der Frühpromenad', das triste milieu-Vieh;
Ueher dem Zwist der Partei'n stand es als Vater der Stadt;
Wieh'rte von Geistfreiheit mit den Pferden, und fromm mit den Eseln
Schrie es: Ja! quia! credo quia absurdum!
Glauben? Wir wurden zu klug - und Denken? Da sind wir zu dumm noch!
Könnt' ich zum Maulthierthum heilend bekehren die Welt!
Reineke's Seele gebar in den Zangen der Falle den Einfall:
Könnte der Geisteseunuch nicht Samariter mir sein?
Kalt dem Ketzer würd' er als Pfaff, als Ketzer am Gläub' gen
Kalt hinwandeln ; doch gern hilft er dem juste milieu.
Ketzer und Mucker zugleich - da giebt es Extreme zu einen;
Rettung der Seel' - en passant rettet den Körper man auch.
Bin ich als Ketzer bekannt - wohlan, überrasch' ich als Gläub'ger!
"Jesu, sei Du mein Gast, segne mir, was Du beschert."
Maulthier hörte das Lied; es traute, wie lang sie auch waren,
Dennoch den Ohren nicht recht: Reineke war es, bei Gott!
"Sieh", wie der alte im Schnee, der Candidat Sokrate dasteht,
Sang Horaz; aber was sag' ich als Deutscher zu Euch?
Reineke, Du Atheist, Du singst pietistisch zur Frühstund´,
Und in das Qualinstrument zwängst Du kasteiend das Fleisch,
Rede, begiebt sich ein Wunder?" - Da sagte der Rothe: "Verehrter,
An zwei Seelen hab' ich leider vermiethet die Brust.
Zeig' ich mich ketzrisch der Welt, so büss' ich es reuig im Stillen,
Büsse die Busse sodann doppelt mit Lästerung ab.
Eben in gläubiger Stunde betrefft Ihr mich, - lasst mich, ich bitte."-
"Nein, so lass' ich Euch nicht, sondern die Wege des Heils
Zeig' ich, zerfahrenes Thier, - Unheil zur Rechten und Linken,
Glauben und Leugnen - die Wurst hat in der Mitte das Fett!"
Sprach es und trat auf die Feder; da wichen die ehernen Zähne,
Und mit gewaltigem Satz schwang sich der Rothe hervor:
Frei! vom Tode gerettet! - Da sagte das sinnende Maulthier:
"Reineke, wer sich so ernst Glaubens und Leugnens befliss,
Und in die nöthige Mitte sich rettet, ein Thier von Talenten,
Könnte mein Maulthierthum pred'gen zum Heile der Welt.
Stellung sucht Ihr und Amt; in der St. Tartüffenkapelle
Leit' ich die "Wahlen, - wie wär's? - Reineke, werdet Pastor.
Mäss'ge Vernunft, die den Buckel uns wäscht und den Pelz uns nicht nass macht,
Wohltemperirter Verstand ist's, was die Thierheit bedarf.
Glaubt mir's: der rechte Verstand und der rechte Glaube vereinen
Gern sich zum Compromiss: 7 + 7 = 12.
14 fordert zwar der Verstand; 10 wollte der Glaube
Nur statuiren; wohlan, theilen wir friedlich den Rest.
Also hielt ich es selbst und ich fühle mich glücklich. Entschliesst Euch,
Setzt einen Amphibial-Bankert-Verein in die Welt."
IX.
Der wilde Jäger
Drängst du, begierig des Stalls, mein Pegasus schon mich zum Heimritt?
Eile nicht so; denn dir steht, weiss ich, die Krippe noch leer;
Und du beklagst dich, will's Gott, nicht darum. Ein Pegasus fliege
Nimmer nach Heu; und zumal du bist so günstig gestellt:
Hast den Socius ja, den Färbergaul, (Färber ist wörtlich
Hier zu verstehn) der mit dir, was ihm sein buntes Geschäft
Einträgt, brüderlich theilt und Hafers und Häcksels genug dir
Zuschiebt und sich in's Joch beuget, dass fessellos du
Steigest gen Himmel. Auch komm, - ich rath es - zu früh nicht nach Hause;
Denn mit Peitsch' und Scorpion harret auf dich die Kritik;
Und für Holzklotzpflockversanarchie verdienst du den Carcer
Jedes Pennals Deutschlands fasten bei Platen und Brot
Trage mich lieber dahin, wo ich Isegrim finde: Die Burg ist
Ihm von dem feindlichen Schwärm wüthend geschleift und er selbst
Floh verwundet, geschlagen, verfolgt in die wildeste Wildniss,
Heimathlos, ein Bandit, strolcht' er durch Haiden und Moor.
Ihn auch. packte der "Winter mit eisigen Armen, vor Hunger
Heulend und kreuzlahm strich scheu er umher, ein Skelett.
Hunde hatten gefasst, ihn hatten Kugeln getroffen,
Elend und todeskrank hört er den stürmenden Süd
Brausen in triefender Märznacht; doch die lenzliche Hoffnung
Wandelte nicht in dem Sturm, nicht auf dem berstenden Eis.
Atzung hatt' er sich jüngst gefunden; das Aas eines Widders
Hatt' er geschluckt, das am Hain hinter dem Dorf er entdeckt'.
Aber ein grässlicher Sehmerz durchkroch die Gedärme: Entfliehe!
Gift! Vergiftet! Dein Mahl ward in der Hölle gewürzt!
Isegrim floh durch Morast und Gestrüpp, von hinnen, von hinnen!
Mit durch Morast und Gestrüpp jagte der grimmige Tod.
Donnernd brüllte der Strom im Eisgang, Schollen an Schollen
Knirschten, ein schwarzes Gewölk flatterte wild um den Mond,
Und ein unendlicher Regen, ein zorniger, schlug durch des Forstes
Mag'res Geäst und vor Angst ächzten die Wurzeln im Grund.
Weiter und weiter rannte der Wolf; ihm schwamm's vor den Augen,
Klang's in den Ohren, das Blut kocht' ihm; er taumelte hin,
Raffte noch einmal kräftig sich auf und keuchte von dannen,
Blindlings, hinweg! nur hinweg! Wieder versagte der Fuss,
Und nun lag er verendend und still; das Gerassel der Zweige,
Regengeriesel und Wind sang ihm den Todtengesang.
Scheusslich starrte der Leib: vom Krampf in den Nacken gerissen
Rückwärts zuckte das Haupt; aber dem Rachen entquoll
Blut und Geifer, die Zunge, die schaumige, hing aus dem Halse,
Grünlicher Moorschlamm troff über das räudige Vliess,
Puh! und ein Pesthauch dampft', ein entsetzlicher, stinkender Brodem,
Rings von ihm aus, grau'nvoll. Greiser Verbrecher, du liegst,
Liegst, ein Scheul und ein Graul, von dem strafenden Arm der Erynnis
Endlich ereilt; zum Gericht, Mörder, entbeut dich der Tod.
Wehe! Der Erdgrund bebt, darauf Du ruhest, die Schollen
Bersten, wie Geistergewalt steigt es empor in die Nacht;
Quirlt sich zusammen aus Nebeln - der Schwarze! - schon reckt er die Hände
Lang und langsam und zieht, zieht dich zur Hölle hinab.
Isegrim stöhnt' und erhub die brechenden Augen; das war kein
Rächender Abgrundsgeist, der, ihn zu quälen, genaht.
Sieh', ein dämmernder Strahl des Mondlichts floss durch die Wolken
Auf das Gespenst: tief ernst blickte des Jägers Gestalt,
Des begrabenen; Schwermuth lag und Schmerz in den dunklen
Schatten des Auges, doch Spott zog um den blässlichen Mund;
Spott zu bitter für Engel, zu sanft für Teufel, so zuckt's nur
Ueber die Lippen des Mann's, der auf der Erde geliebt,
Der auf der Erde gelitten und still entsagend am Ende
Einsam den düsteren Pfad wallte zur Grube hinab.
Und mit dem Winde vermischten sich sanft die tröstlichen "Worte:
"Unglückseliges Thier, fürchte Dich nimmer; die Welt
Mag Dich verfolgen und hetzen; doch ich, wo alle Dir fluchen,
Ehre das Gottesgeschöpf, ehre den Bruder in Dir."
Isegrim schaute wie träumend empor: so gütige Rede,
Seit ihn die Mutter gesäugt, hatt' er nicht wieder gehört;
Aber Verwünschung und Schimpf und pfeifende Kugeln und Kläffen
Jagender Meute, als Kind, ach, und als Mann und als Greis.
"Isegrim, der Du von Mördern geboren, zum Mörder geworden,
Glaubst Du, ich sehe die Qual nicht, die Dein Herze zernagt?
Glaubst Du, ich hörte Dich nicht im Winter in klirrender Frostnacht
Klagen, wenn Du auf Raub schweiftest, und fluchen dem Herrn,
Dass er zu Sünd' und Verbrechen Dich schuf und zu ew'ger Gemeinheit,
Und Dir verschüttet des Glücks Quelle schon vor der Geburt?
Komm, unseliges Tier, verfolgter Verbrecher, das Wirrsal
Dieses Lebens, es hat lange genug Dich gequält;
Sterben darfst Du; doch stirb gelass'ner im Arme des Bruders,
Der zum Verdammen zu tief sah ins Getriebe der Welt.
Straft das irdische Recht den Mörder - es strafe! Das Chaos
Kehrte zurück, wenn das Schwert ruhte vom furchtbaren Amt;
Aber das irdische Hecht und das Hecht vor dem Lenker des Weltalls,
Feindlichen Brüdern gleich, hadern in schreiendem Zwist. -
Siehe, von liebenden Eltern zur Liebe geboren, umfasst' ich
Einst allliebend die Welt, rein, wie ein Engel des Lichts;
Aber zum Leiden zwang und zum Quälen zwang mich das Dasein:
Tränen des Nächsten, wie schwer! haben mein Lächeln bezahlt;
Und was den Nächsten ergötzte, bezahlt' ich mit eigenem Herzblut;
Ewig wälzte das Rad dunkelster Räthsel sich um.
Lösung sucht' in des Menschen Geschick und der Völker Geschichte
Ich umsonst und ich floh her in die Oede des Forst's,
Aug' in Auge der grossen Natur; doch ewig dasselbe:
Diebstahl, Raub und Betrug haften an jeglichem Glück.
Ohne das Uebel zerbörste die Welt, und Rechenschaft heisch' ich,
Rechenschaft von dem Gott, der mit dem Uebel sie schuf.
War' ich vernichtet! o hätte der Tod wie die Flamme der Kerze
Ausgelöscht und in Nichts friedlich die Seele verspült!
Was ich bei Menschen gegrübelt und was ich gegrübelt in öder
Wildniss, gönnet mir auch Kühe des Grabes noch nicht.
Und es treibt mich hinaus, die Welt zu durchreiten, zu jagen
Nach dem gewaltigen Wort, welches die Zweifel mir löst.
Seit Jahrtausenden treibt es mich um und es wächst mein Gefolge;
Jeglicher, der Zwiespalt schaut in der Ordnung der Welt,
Jeglicher, der auch den Teufel als Helfershelfer des Gottes
Schaudernd erkennt, mit mir schweift er im Sturme dahin."
Isegrim röchelt' im Fieber; ihm zitterten fröstelnd die Tatzen;
Doch im ersterbenden Ohr hört' er, wie mächtig in's Horn
Stiess der gespenstische Jäger. Der Ruf mit dem Heulen des Sturmwinds
Scholl durch Berg und Thal, brauste durch Fels und Geklüft.
Braust' antwortend das Echo zurück in langen, gezog'nen
Grässlichen Tönen? Was fuhr über die Wipfel daher?
Männer auf nebligen Rossen, unzählige; Söhne des Nilstroms
Und die der Euphrat getränkt, und die der Jordan gesäugt,
Lockige Häupter, bekränzt mit hellenischem Lorbeergewinde,
Eherne Römer mit scharf spähendem Adlerprofil,
Gallier, Briten und Deutsche, den Doctorhut in der Windsbraut
Und der Perrücke Gewog fest auf die Schädel gestülpt;
Alle die Stirnen gefurcht von den Narben, die der Gedanken
Grimmiger Kampf einschlug, Alle die Augen durchglüht
Von dem verzehrenden Feuer des Grübelns, jagten heran sie
Spürend mit Waidmannsblick nach dem entrinnenden Wild.
Isegrim sah, wie der Jäger die riesigen Glieder emporhub,
Wie er mit rasselndem Schwung hoch in den Sattel sich warf.
War er Nimrod, der urwelttrotzige Jäger von Assur?
War er der Ahnherr selbst unseres Menschengeschlechts,
Adam, welcher das Räthsel von Gut und Böse zu lösen
Von dem Erkenntnissbaum pflückte die lockende Frucht?
Tückische Frucht! Sie schürte den Durst: Was gut und was böse,
Lehrte sie; doch das Warum deckt uns noch heute die Nacht.
Hochauf bäumte das Ross mit dem Reiter, und Hörnergeschmetter,
Peitschengeknall und Hussah grüsste den Führer. Der Forst
Stöhnte, die Eichen zerbarsten, die Fichten zerbrachen vom Hufschlag,
Und das unsel'ge Gejaid wälzte der Nebel hinweg.
Aber als goldig der Morgen und purpurn heraufstieg, umkrächzte
Galgengevögel im Schwärm gierig des Sünders Gebein,
Hackte der Eine die Augen und zerrt' an Rippen der Andre,
Zaust' um das blutige Herz dort sich ein neidisches Paar.
Doch was erheben sie plötzlich das schwarze Gefieder, was flüchten
Sie in den Wipfel hinauf? Kann ich ihr Schwatzen verstehn?
"Wunder, o Wunder, dort kommt mit der Braut gezogen der Bräut'gam!
Reineke führt siegreich Ermelin an den Altar!"
Und in Wahrheit also geschah's: In festlichem Zuge
Trabte des glücklichen Paars bräutlich Geleite heran.
Reineke wandelt' im schwarzen Talar mit Bäffchen und Sammtmütz,
Wunderschön war der Schweif a la Johannes frisirt.
Neben ihm gingen die würd'gen Confratres Esel und Schafbock,
Hatt' ihn der Eine geweiht, hatt' ihn der Andre getraut.
Ermelin führten der Has' und der Dachs, ihr folgten diverse
Füchschen, ein jugendlich Volk, das sie in Wald und Geklüft
Mutterlos aufgelesen. Sie könnt' auch sagen, dass nolens
Volens die zierliche Brut keusch ihr ein Täubrich gezeugt.
Doch dem sei, wie ihm will. Graziöser war Nichts, als die feine
Blonde, wenn spielend im Moos zwischen den Kleinen sie lag;
Lieb' und Anmut adelten sie; wie strahlt ihre Schönheit
Hell aus dem Schönheitskranz, der sie umringte, hervor.
Doch wenn Gefahr aufzog, wenn ein Geier, ein Hund sie bedräute,
Heldenhaft, selbstlos bot sie dem Verderber die Stirn.
"Mutterlos aufgelesen!" Vergebliche Lüge! Die Mutter-
Tugend verräth zu sehr, wie sich das Mädchen verging.
Botherich blickte zufrieden. Die Religion muss dem Volke
Bleiben! Hof, Parlament, Bürgerschaft, Protzokratie,
Hochschul, Innung und Presse, der Kegelverein und der Rennklub
Schrien: "Erhalten dem Volke bleibe die Religion!"
Leider wollte nur selbst zum Volke Niemand sich zählen;
Zur Ausnahme für sich forderte Jeder das Recht.
Und so kam denn der Eidam dem allgemeinen Bedürfniss
Praktisch entgegen: mit Rohr stützt' er den stürzenden Bau,
Klebte mit Kleister die Risse und leimt' auf die Lücken Tapeten.
Alle Capaunen der Stadt gackerten froh hinterdrein.
Fröhlich schwenkte der Zug vorüber an Isegrim's Leichnam;
"Herr mein Gott, sei bedankt, dass ich wie dieser nicht bin."
Reineke blinzelte halb verlegen zu Boden und faltet'
Würdig die Pfoten und sprach: "Freunde, mein himmlisches Amt
Kann ich nicht schöner verwalten, als wenn ich dem Sünder vergebe;"
Und das allheil'ge Gebet ging aus dem heuchelnden Maul;
Contrapunctisch jedoch klang unter der tönenden Ober-
Stimme ein zweites Gebet durch die Register der Brust:
"Vater Unser im Himmel, geheiliget werde dein Name
Mehr als Dein Wesen; an uns komme Dein Weltregiment;
Mag Dein Wille gescheh'n im Himmel, doch uns'rer auf Erden;
Gieb unser heutiges Brod täglich uns: Hochzeitsdiner;
Unsere Schulden vergieb, wenn wir uns're Schuld'ger vergiften;
Lock' auf den Köder uns nicht, sondern erlös' uns vielmehr,
Wenn wir in Fallen gerathen; denn Dein ist das Reich und so weiter.
Amen." Im Tiefsten gerührt stand die Versammlung umher.
Arthur Fitger