Silberhochzeit



Karl von Holtei



Zur silbernen Hochzeitfeier

des Physikers Dr. Buek in Hamburg.
10. Juni 1849.
(Mit einem Myrthenbaum worauf Goldorangen gezogen waren.)

Es hat seine eigenste Sprache der Traum,
Oftmals versteht sie der Träumende kaum.
Doch manche Träume sind allverständlich,
In ihrer Deutung Jedwedem kenntlich;
So will's zum Beispiel Hochzeit bedeuten,
In allen Ländern, bei allen Leuten,
Wenn man im Traume Feuer sieht
Das hellauflockernd 'gen Himmel zieht.

Ich sah Hamburg im Traume brennen,
Mochte vor allen ein Haus erkennen,
Aus dessen Gluthen Klagesang
Wehmuthsvoll mir zum Herzen drang.
Er kam nicht aus menschlichen Seelen,
Denn es klagten viel' Blumenseelen,
Zogen um ein Herbarium,
Welches verbrannte, wimmernd herum;
Sangen im Chor: "Wir flüchtige Geister,
Waren gebannt durch unsern Meister
An getrockneter Leiber Gruft.
Mangelten uns gleich Licht und Luft,
Athmeten wir doch Reste von Duft;
Hingen noch mit der Form zusammen. -
Jetzt, wo Blätter und Stengel in Flammen
Knistern, verzehrt sich das letzte Band
Jenes Vereins; die Hülle schwand,
Arme Seelen müssen wir wandern,
Müssen verschwimmen mit so viel' andern!"

So die Pflanzenseelen im Traum.
Bei'm Erwachen fand ich den Baum,
Dessen Früchte herab sich neigen.
Und aus grünen Blütenzweigen
Hör' ich ein Flüstern: "Wir kehrten ein
In diese Myrthe; bringe nun fein,
Zu der Silberhochzeit, als Gabe,
Welche tief're Bedeutung habe,
Durch Erinn'rung an deinen Traum,
Kühn und fröhlich den Myrthenbaum,
Weil er kindliche Blüten hegt,
Weil er goldene Früchte trägt!"

Karl von Holtei


Ottilie Wildermuth



Gottes Segen

Es sei von Gottes ew'gen Segen
der Treue stilles Fest verklärt,
die sich auf steil und ebnen Wegen
durch Freud' und Sorge treu bewährt.

Wo Menschentreu sich echt gezeiget,
da fehlt auch Gottes Treue nicht,
sie sendet, wenn der Tag sich neiget
ein friedevolles Abendlicht.

Sie nehme, was sie Euch beschieden
in ihre segensvolle Hut,
dass ihr bekennt in Freud und Frieden:
wie's Gott gefügt, so wird es gut.

Ottilie Wildermuth


Zur Silberhochzeit

Mit blühenden Gewächsen.

Viel zu spät kommt alles heuer,
Frühlingsluft und Sonnenschein,
auch zu Eurer Silberfeier
stell' ich fast zu spät mich ein.

Und mit reichen Hochzeitsgaben
wag ich kaum mich mehr hinaus,
alles soll ja reichlich haben
Euer wohlbestelltes Haus.

Eines wag ich doch zu bieten,
bitte, nehmet freundlich hin
auch die spät erschloss'nen Blüten
und der Treue friedlich Grün.

Denn die Liebe und die Treue
sind zu früh nicht, nicht zu spät.
Schön ist's, dass sie blühen neue,
wenn bald kühler Herbstwind weht.

Lasset drum die Bäumchen stehen
gern vor Eurem trauten Haus,
mögt in Fried' und Freude gehen
viele Jahre ein und aus.

Ottilie Wildermuth