Polterabend



Adelbert von Chamisso



Polterabend

Woher, Alte, deine schönen
Launen? willst du uns erfreuen?
Willst du dich mit uns versöhnen?
Nein, die Alte will noch freien,
Nein, sie will, vor Thoresschlusse,
Humpeln noch mit lahmem Fuße,
Und um welchen Preis es sei,
Ei, ei!
Noch ein Tänzlein, oder zwei.

Hurtig, hurtig! liebe Lene,
Her die Schminke, die Perücke;
Bringe her mir meine Zähne,
Meinen Busen, meine Krücke;
Also will ich seiner harren. -
Hör' ich nicht die Thüre knarren? -
Ist er's? - Nein - es geht vorbei.
Ei, ei!
Töpfe werfen sie entzwei.

Testament und Ehepakten
Hat der Schreiber wohl geschrieben;
Beides nahm er zu den Akten,
Also darf ich frei ihn lieben.
Also will ich seiner harren. -
Hör' ich nicht die Thüre knarren? -
Ist er's? - Nein - es geht vorbei.
Ei, ei!
Töpfe werfen sie entzwei.

Wird der Priester, wird der Küster,
Werden bald die Gäste kommen?
Und mein Bräutigam! o wüßt' er,
Wie ich seiner, liebentglommen,
Bangend harre, wie ich schmachte? - -
Klopft er? - Ist er's? - Sachte, sachte!
Ungebet'ne sind dabei.
Ei, ei!
Sind die Leichenträger frei.

Legen mich die schwarzen Leute
Einsam in ein enges Bette,
Schleppen sich mit ihrer Beute
Langsam nach der Ruhestätte;
Priester, Bräutigam und Gäste
Singen fröhlich bei dem Feste, -
Auch die Rede war vorbei -
Ei, ei!
Nicht ein Tänzlein, oder zwei!

Adelbert von Chamisso


Ottilie Wildermuth



Der ältesten Schwester

Und als der Großvater die Großmutter nahm,
da war der Großvater ein Bräutigam
und die Großmutter eine Braut.

Doch als aus der Ferne der Schwager kam
und unsere Schwester zu eigen sich nahm,
wir haben's nicht gerne geschaut.

Weil aber der Schwager ist freundlich und gut,
weil der Schwester so freudig und fröhlich zu Mut,

So lassen wir's dennoch gescheh'n.
Nun ward uns der Schwager zum Bruder, schau!

Und die Schwester ist eine sehr glückliche Frau,
in Frieden mögen sie gehen.

Ottilie Wildermuth


Zu schwäbischen Geschichten

Zu viel reichen, seinen Gaben
in das neue Heimatland
wird ein schlichtes Buch aus Schwaben
Euch zum Gruße zugesandt;
neues ist nicht drin zu lesen,
doch es zeigt in Ernst und Scherz
unsrer Heimat Tun und Wesen,
Schwabenernst und Schwabenscherz.

Grüßt Euch mit der stillen Bitte,
dass auch an dem eignen Herd
deutsches Tun und deutsche Sitte
Euch bleiben möge lieb und wert.
Ziehet froh in Glück und Lieben
in die neue Heimat ein,
und dem Schwabenbüchlein drüben
räumt ein kleines Plätzchen ein.

Ottilie Wildermuth


Der jungen Hausfrau

(Mit einem Kästchen zu Gewürzen.)

Nun wird bald die Stunde schlagen,
wo den frohen Mädchentagen
du dein Lebewohl musst sagen.

Wo statt Flor und seidnem Bande
dich der Hausfrau schlicht Gewande
Schmückt im heil'gen Ehestande.

Wenn dann mit der Küchenschürze
du dich gürtest in der Kürze,
nimm dies Kästlein noch zur Würze.

Zwar, es soll die Frau im Leben
sanft und süß ohn' Widerstreben
wie ein Turteltäubchen leben,

Doch es wird noch besser munden
wenn bei all' den süßen Stunden
etwas Würze wird gefunden.

Lass Dich denn die Weisheit leiten,
Dir Dein Glück zu allen Zeiten
süß und würzig zu bereiten.

Eine Du zum guten Zeichen
stets das Spröde mit dem Weichen
als die Hausfrau sonder Gleichen.

Ottilie Wildermuth


Anton Wildgans



Polterabend

(1905)

"Zu meinem Polterabend, lieber Freund,
Bin ich so frei, Sie herzlichst einzuladen.
Fürchten Sie nicht, daß man en masse erscheint.
Ich weiß ja den Geschmack von Euer Gnaden.
Ein ganz intimer Kreis von wenigen Leuten,
Die zu den Freunden unsres Hauses zählen.
Darunter Sie, der Sie uns mehr bedeuten:
Als Dichter! - Kurz, da dürfen Sie nicht fehlen.
Mein Bräutigam, der Ihnen nicht bekannt,
Dem ich von Ihnen viel und oft berichtet,
Ein Mann von Gaben, wenn er auch nicht dichtet,
Ist Sie zu kennen äußerst schon gespannt.
Auf keinen Fall ist Förmlichkeit vonnöten.
Sie kommen im Sacco. Wahrscheinlich wird
Im Garten, wenn das Wetter schön, soupiert.
Blumen und Toaste hab' ich mir verbeten.
Und nun adieu! Für heute muß ich schließen.
Am Mittwoch also! Mit den besten Grüßen
Von allen (auch von meinem Bräutigame)
Verbleib' ich Ihre treue..." Klex und Name.

Du liebe, süßvertraute Mädchenschrift,
Ich forscht in dir, in diesem letzten Brief
Nach Bitterkeit, nach einem Tröpfchen Gift
Und fand ihn doch am Ende nur - naiv.
Ein bißchen Spott - mein Gott, als Troubadour
Und armer Teufel wird man nicht geschont
Und ist ja doch Staffage nur
Im Haus des Glücks, von anderen bewohnt;
Und ist ein Geiger, der den wilden Harm
Aus seiner Seele auf die Saiten weint
Und seiner Liebsten aufzuspielen scheint
Zu Tanz und Lust in eines andern Arm;
Und ist ein Magier, der Herzen reich
Und hoffend macht, das Wunder zu erwarten,
Und dann vor seinem eignen Zaubergarten
Almosen einstreicht einem Bettler gleich
Und sich nicht darf mit jenem andern messen,
Der Liebe gibt und überdies - zu essen.

Der Polterabend kam und war nicht öder,
Als solche Abende gewöhnlich sind.
Die Eltern segnen still ihr Kind,
Dem Bräutigame gratuliert ein jeder.
Dann kommen sie in Stimmung. Ihre Wänste
Sind angemästet, röter die Gesichter.
In feuchten Augen schwimmen irre Lichter,
Des Pommery betörende Gespenste.
Da fällt ein Glas und dort der erste Toast
Von Lippen, die von Wein und Rührung lallen.
Und wie die Kelche aneinander prallen,
Da blöckt die ganze stumpfe Herde "Prost" -
Und dazu ludest du, Suzon, mich ein?
Kennst du denn deinen alten Freund nicht besser?
So zeigt man dem Verurteilten das Messer,
Mit dem man morgen will sein Henker sein.
Ist, glaubst du, meine Phantasie verdorrt,
Daß sie sich nicht in Eckelqualen malt,
Wie morgen deine schimmernde Gestalt
Vor dieses Bockes Nüstern sich entflort?!
Doch da - indes zwei feuchte Lippen saugen
Unschlüssig noch am Rande des Kristalles,
Ein langer Blick aus grünerglühten Augen.
Da jauchzt mein Blut und alles weiß ich, alles!
Und durch vertrauter Gänge Lampenschimmer
Stehl ich mich heimlich in ihr Mädchenzimmer.

Da bist du wieder, lieber Dämmerraum!
In Schatten jede Linie zergangen,
Des Mondes Licht in bleiche Stores verfangen.
Da bist du wieder, längst gelebter Traum
Tastender Liebe zweier Kinderseelen,
Die Schumannliedern und Gedichten lauschten
Von Lenau und Musset und sich berauschten
An Wiesenduft und hellen Vogelkehlen
Und eines Abends dann beim Verselesen
Verwirrt erkannten, süßen Staunens voll,
Daß Klänge, Worte, Düfte nur Symbol
Für ihrer Lippen erstes Glück gewesen.
Und dort, wie einst, im Schatten weiß verhangen,
Ihr Bett, bereit, wie eine weiche Gruft
Des schlanken Leibes letzten keuschen Duft,
Die letzten Mädchenträume zu umfangen.
Da huscht's herein - so wie sie damals kam,
Und alles war wie einst, so daß sie wieder
Mein Haupt in ihre beiden Hände nahm,
Mir leise küssend die geschlossnen Lider -
Nur daß sie jetzt, an meiner Brust geborgen,
Mit einemmal so stumm ward und so schwer,
Und daß ein düstres "Nimmermehr"
Uns beben machte statt des süßen "Morgen".
Und dann steht sie vor mir, halb Sphinx, halb Kind -
Wie diese rätselgrünen Augen schauen,
Wie hart auf einmal diese steilen Brauen
Und diese Wangen starr wie Alabaster sind!
Und da zum letztenmal im Niederneigen
Mein Mund an diese kühlen Lippen rührt,
Hat sie ein Fremdes mir, ein Traum entführt -
Und diese Lippen sind nicht mehr mein eigen.

Anton Wildgans